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Ashford Park

Ashford Park

Titel: Ashford Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Willig
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labil. Sie war aus dem Gleichgewicht, aber nicht, weil sie gestern zu viel getrunken hatte. Keine Kanzlei mehr, keine Granny Addie, sie fühlte sich, als hätte man ihr den Boden unter den Füßen weggerissen.
    In Tante Annas Regalen standen unzählige Familienfotos, doch Clemmie betrachtete sie jetzt mit anderen Augen, während sie Verbindungen überprüfte und auf den Bildern von Onkel Teddy nach einer Ähnlichkeit mit Granny Addie suchte. Clemmie hatte immer gefunden, ihre Mutter sähe aus wie Granny Addie, sie hatte sich offensichtlich von einer Ähnlichkeit des Ausdrucks und der Haltung täuschen lassen.
    «So.» Tante Anna kam mit zwei schweren Keramikbechern wieder ins Zimmer.
    Clemmie wandte sich von den Fotos ab. «War Onkel Teddy Granny Addies Sohn oder Beas?», fragte sie.
    «Addies», sagte Tante Anna. «Er war ihr einziges leibliches Kind.» Sie ließ sich mit einem Aufatmen ins Sofa sinken und griff nach einer zerknitterten Packung Benson & Hedges. «Er fehlt mir immer noch. Jetzt sind es fast dreißig Jahre, schwer zu glauben.»
    «Ich erinnere mich an seine Beerdigung», sagte Clemmie. Es stimmte, auch wenn es nur vage Erinnerungen an gedämpfte Stimmen und dunkle Kleider waren, an die rotgeweinten Augen ihrer Mutter und an ihr schlechtes Gewissen, weil sie sich so sehr über ihr neues schwarzes Samtkleid freute. «Damals habe ich Jon das erste Mal gesehen.»
    «Ach ja, Jon.» Tante Anna hielt ihr orangenes Plastikfeuerzeug hoch. Ihre Augen bekamen einen sehr eigenen Glanz. «Weil wir gerade von ihm sprechen …»
    «Caitlin ist hier, soviel ich weiß», sagte Clemmie hastig.
    Stirnrunzelnd zündete Tante Anna ihre Zigarette an und zog so tief daran, dass das Ende rot aufglomm. «Davon habe ich gar nichts gehört.»
    «Na ja, ist ja auch egal», sagte Clemmie, bevor sie dieses Thema weiterverfolgen konnten. «Ich bin eigentlich hergekommen, weil ich mit dir über …»
    «Ich weiß. Du willst mich nach deiner Großmutter fragen.» Sie sagte nicht, welche sie meinte. «Ich bin froh, dass du mich angerufen hast», fuhr sie fort und streckte sich bequem auf dem Sofa aus. Sie hatte immer noch tolle Beine für eine Siebzigjährige, fand Clemmie. «Ich wollte dir schon vor Jahren reinen Wein einschenken, weißt du.»
    «Danke.» Clemmie kostete von ihrem Kaffee. Es war aromatisierter Pulverkaffee, widerlich süß. Clemmie drehte sich beinahe der Magen um. Sie stellte ihn weg.
    «Deine Mutter war dagegen. Sie wollte deine Beziehung zu Addie nicht belasten.» Tante Annas Gesicht verriet deutlich, wie sie darüber dachte.
    Clemmie rutschte in ihrem Sessel vor. «Ich habe die Zeitungsausschnitte gesehen», sagte sie unumwunden. «Über Beas Tod.»
    Tante Anna zog die gepflegten Brauen hoch. «Du hast keine Zeit verloren, hm? Na ja, du hast ja immer schon brav deine Hausaufgaben gemacht.»
    Clemmie war nicht in Stimmung, Spielchen zu spielen. «Was ist damals passiert?»
    «Das ist die Eine-Million-Dollar-Frage. Leider gibt es keine Antwort darauf.» Tante Anna schnippte Asche in den Aschenbecher. «Niemand weiß, wie es wirklich war. Meine Mutter, mein Vater und Addie waren auf Safari. Meine Mutter ist nicht zurückgekommen. Da kann man es sich doch ausrechnen.»
    «Kann es nicht ein Unfall gewesen sein?» Clemmie hätte nicht sagen können, warum ihr das so wichtig war. Es war einfach so. Ein trauender Witwer, der sich wiederverheiratete, war eine Sache. Die anderen Möglichkeiten wollte sie gar nicht in Betracht ziehen. «So, wie Granny über Bea geredet hat, das hat sich angehört, als hätte sie sie sehr geliebt.»
    «Kann sein», versetzte Tante Anna kühl. «Aber meinen Vater hat sie mehr geliebt.»
    Dagegen gab es nichts zu sagen. Die Liebe, die Granny Addie und Grandpa Frederick verbunden hatte, war etwas ganz Besonderes gewesen. Clemmie sah die beiden vor sich, wie sie gewesen waren, ganz voneinander erfüllt, so sehr aufeinander eingestimmt, dass einer den Satz des anderen vollenden konnte. Einer war dem anderen Halt und Stütze gewesen, obwohl es manchmal den Eindruck gemacht hatte, als brauchte Grandpa Frederick die Stütze ein klein wenig dringender. Er war älter und anfälliger und hatte damals schon an den ersten Symptomen des Speiseröhrenkrebses gelitten, an dem er schließlich gestorben war.
    «Und als sie ihn hatte», fügte Tante Anna hinzu, «hätte sie alles getan, um ihn nicht wieder hergeben zu müssen.»
    «Aber nicht getötet», widersprach Clemmie trotzig. Addie mochte sie belogen

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