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Ashford Park

Ashford Park

Titel: Ashford Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Willig
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darauf, dass ich sozialistische Neigungen entwickle und Schande über die ganze Familie bringe.» Auch wenn sie versuchte, einen Scherz daraus zu machen, wussten sie beide, dass es stimmte. Ganz gleich, wie sehr sie sich bemühte, sie würde immer verdächtig bleiben.
    «Es tut mir so leid», sagte Bea. «Ich hätte nicht, ach, Mist.» Sie kaute an einem Fingernagel, ihre einzige unschöne Gewohnheit.
    «Na ja, sie wird mich nicht gleich aufs Rad binden und vierteilen», meinte Addie, um ihre Cousine zu trösten. «Schlimmstenfalls streichen sie mir wieder das Taschengeld. Eine Woche lang kann ich schon ohne Süßigkeitengeld auskommen.»
    «Du kannst meins haben», sagte Bea. «Alle. Mit Zinsen.»
    «Bea», begann Addie zögernd, «hast du eigentlich …»
    «Was?»
    «Ach, nichts.» Es war eine blöde Frage. Natürlich hatte Bea Binky nicht absichtlich laufen lassen. «Ich gehe raus und gehe ein bisschen spazieren», sagte sie. «Es macht mich verrückt, hier drinnen rumzusitzen und auf das Fallbeil zu warten.»
    «Und wenn du
ihnen
in die Arme läufst?» Bea setzte sich auf dem Sofa auf.
    «Ach, sie kommen sicher noch lange nicht zurück.» Da Dodo zu Pferd am vorteilhaftesten aussah, hatte Tante Vera eine Jagd organisiert in der Hoffnung, dass Dodos guter Sitz ihr einbringen würde, wozu ihre tänzerische Grazie nicht ausreichte.
    «Soll ich mitkommen?» Ein deutliches Zeichen, dass Bea zerknirscht war. Sie hasste Spaziergänge.
    Addie schaute zum Fenster hinaus. Der morgendliche Regen war feinem Dunst gewichen. Perfektes Wanderwetter.
    «Nein, lass nur.» Sie schlüpfte in einen alten beigefarbenen Mantel, einen langen schmalen Staubmantel, der einmal Dodo gehört hatte. Er war ihr zu lang, und die Ärmel hingen ihr über die Hände, aber er war gut gegen den Nebel. «Ich gehe lieber allein.»
    Bea ließ sich in die Sofapolster zurücksinken. Über den Rand eines alten
Tatler
sagte sie: «Wenn du es dir anders überlegst …»
    «Ich bin bald wieder da», erwiderte Addie. «Viel Spaß bei der Lektüre.»
    Beas Kopf verschwand hinter der Zeitschrift.
    Addie nahm die Seitentreppe nach unten. Nach acht Jahren in Ashford kannte sie alle Ecken und Winkel. Oben, wo die Kinderzimmer waren, kam man sich ein wenig vor wie in den Kulissen einer Theaterinszenierung. Alles, was sie taten, spielte sich rund um die Bühne ab und selten auf ihr. Bea, Poppy und sie hatten über die hinteren Flure und Treppen und durch die Küchenräume freien Zugang zum äußeren Bereich des Hauses. In die Prachträume im Erdgeschoss, die Addie an ihrem ersten Abend in Ashford so überwältigend gefunden hatte, drangen sie fast nie vor.
    Dodo war jetzt, da sie ‹erwachsen› war, aus der ‹Kinderstube› in ein Zimmer im ersten Stock umgezogen. In etwas mehr als einem Jahr würde Bea ihr folgen. Addie versuchte, nicht daran zu denken. Es war unmöglich, sich Spiel- und Kinderzimmer ohne Bea vorzustellen. Ganz gleich, was Bea glaubte, Addie hielt es für unwahrscheinlich, dass Tante Vera sie bei ihren Zukunftsentwürfen in irgendeiner Weise berücksichtigen würde. Sie hatte große Pläne für Bea, in denen eine gerade einmal geduldete Cousine keinen Platz hatte.
    Seit einiger Zeit war die Rede davon, Bea für ein Jahr nach Paris zu schicken, um ihr Gelegenheit zu geben, sich dort den letzten gesellschaftlichen Schliff anzueignen: ein wenig Französisch lernen, im Louvre die Werke der großen Meister kopieren und ganz allgemein das tun, was man eben in seinem Auslandsjahr vor dem gesellschaftlichen Debüt so tat. Dodo war nach München gereist, aber angesichts der Nachrichten in den Zeitungen würde Onkel Charles Bea sicher nicht nach Deutschland schicken.
    «Du kommst natürlich mit», hatte Bea gesagt, als sie Addie von den Parisplänen erzählte. Doch das war nach dem gestrigen Zwischenfall unwahrscheinlicher denn je geworden.
    Addie ging durch eine Seitentür in den Küchengarten hinaus, wo Lavendel und Thymian dufteten. Sie hob ihr Gesicht zum Himmel und genoss die kühle Feuchtigkeit des leichten Nebels auf ihrer Haut. An der Steinmauer entlang ging sie außen um den Küchengarten herum und folgte, von den vertrauten Gerüchen nach feuchter Erde und altem Stein umgeben, dem gekiesten Weg zum Buchsbaumlabyrinth. Dunst lag über den Hecken. Der Park erschien verlassen bis auf einen Vogel, der auf einer Eibenhecke hockte und Addie mit schwarzen Knopfaugen anstarrte. Mit einem geringschätzigen Krächzen flog er auf und davon.
    Offenbar

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