Asperger - Leben in zwei Welten
welchen Bereichen ich mir Unterstützung erhoffte. Ich hatte sie im Vorfeld des ersten Treffens in einer E-Mail sehr offen über mich und meine Schwierigkeiten informiert und ihr auch geschrieben, dass ich anfangs aufgrund meiner Aufregung manchmal unnahbar und abweisend wirke, was mir sehr leid tut. Offenbar war das gut so. Zunächst bereitete mir die Ergotherapie Probleme, da wir uns einerseits natürlich erst einmal kennen lernen mussten und da ich auf der anderen Seite durch meine körperliche Situation nur sehr wenig belastbar war. Nach den Terminen war ich völlig k.o., besonders schwer fiel es mir dabei, mich in schneller Folge auf unterschiedliche Aufgaben einzustellen. Irgendwann gelang es mir, dies der Therapeutin zu vermitteln, und in der Folge konnte sie sich immer besserauf mich einstellen, sodass die Ergotherapie schlieÃlich zu einer MaÃnahme wurde, die ich als sehr hilfreich und wichtig empfand. Ich konnte einige Ziele für mich definieren und bearbeiten und hatte dabei sehr viel Spaà mit meiner lieben und kompetenten Therapeutin, die nichts über mich hinweg entschied und mich niemals zu einem bestimmten Vorgehen drängte, sondern immer wieder gemeinsam mit mir die weitere Planung abstimmte.
Ich bin sehr dankbar für ihre Geduld, denn vieles gestaltet sich schwieriger und langwieriger als zunächst vermutet. Dabei spielt immer wieder auch die Ambivalenz eine groÃe Rolle, denn ich bin einerseits motiviert und möchte sehr gern an einer Verbesserung meiner Situation arbeiten, aber neue und ungewohnte Anforderungen machen mir auf der anderen Seite nach wie vor sehr viel Angst. AuÃerdem entwickelt man im Laufe der Jahre zahlreiche eingefahrene Kompensationsstrategien, um die alltäglichen Anforderungen bestmöglich erfüllen zu können, die sich nicht so einfach verändern lassen. Es macht daher auf jeden Fall Sinn, so früh wie möglich mit einer Behandlung zu beginnen, wenn die Verhaltensweisen noch mit deutlich weniger Aufwand veränderbar sind.
Ich durchlebte eine depressive, sehr problematische Zeit
Das Leben hatte eine andere Qualität erhalten, es war mir irgendwie kostbarer geworden.
In der Folge wurde ich trotz aller Unterstützung depressiv und hatte eine wirklich sehr problematische Zeit durchzustehen. Ich war mir nicht sicher, ob ich sie überleben würde und noch einmal das Weihnachtsfest erleben könnte, das ich so liebe. Ich sah die letzten Blumen des zu Ende gehenden Sommers an und befürchtete, sie zum letzten Mal zu sehen. Es machte mich sehr traurig, weil ich merkte, wie gern ich lebe und wie sehr ich auch mein Leben genieÃe, trotz aller Schwierigkeiten und Einschränkungen. SchlieÃlich beschloss ich, dafür zu kämpfen, und ich genoss alles, was das Leben mir bot, den Regen ebenso wie die Sonnenstrahlen, die bunte Verfärbung des Laubes im Herbst, die Novemberstürme und schlieÃlich den ersehnten ersten Schnee und die nahende Adventszeit. Voller Glück blätterte ich in meinen Weihnachtszeitschriften und sah mir all die schönen Dinge in den Geschäften und in der Natur an. Manchmal dachte ich mir, erst wenn man glaubt, alles verloren zu haben, wird offenbar all das, was man besitzt, zum Geschenk.
Obwohl mich in diesen Wochen und Monaten alles sehr anstrengte, verbrachte ich meine freie Zeit zwischen den Behandlungsterminen nicht im Bett, sondern versuchte, möglichst oft aktiv zu sein, dazwischen aber auch immer wieder kurze Ruhepausen einzulegen, um die Muskulatur zu entspannen. Oft lief ich mehrere Stunden am Tag durch Wald oder Feld, da ich bemerkte, dass dabeimeine Schmerzen etwas nachlieÃen. Auch warmes Thermalwasser tat mir gut und bescherte mir ein paar Stunden Schmerzfreiheit, was ich als groÃes Geschenk empfand. Ich bemerkte, wie wertvoll solche vermeintlichen Kleinigkeiten in diesen Momenten sein können, und ich war dankbar dafür, dies erleben zu dürfen. Ebenso erging es mir, als ich nach einigen sehr schwierigen Wochen erstmals wieder beim Laufen den Kopf so weit nach oben strecken konnte, dass ich die Sonne und den blauen Himmel sah. Das Leben hatte eine andere Qualität erhalten, es war mir irgendwie kostbarer geworden. Ich war glücklich, wenn ich morgens aufwachte und mich einigermaÃen gut fühlte, denn ich wusste inzwischen, dass dies keineswegs selbstverständlich war. Ich kämpfte und tat alles dafür, bald wieder arbeiten zu
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