Asperger - Leben in zwei Welten
(Schokolade etc.), sogar vom Krankenhaus, und ich durfte von dem ganzen Zeug nichts essen. Die Operation an sich war nicht schlimm, auch die Narkose vertrug ich gut und hatte auch keine Angst. Wenn ich gut informiert bin â und dafür versuche ich meist durch neugierige Fragen selbst zu sorgen â dann machen mir Krankenhäuser keine Angst. Als ich entlassen wurde, ging es mir gut. Doch einen Tag später bekam ich Halsschmerzen, Fieber und Schluckschwierigkeiten. Meine Mutter ging mit mir zum HNO-Arzt, und es stellte sich heraus, dass ich zu den seltenen Exemplaren gehörte, die eine spezielle nachoperative Komplikation hatten, die immer zum selben Zeitpunkt auftritt, fast immer erst nach der Entlassung, weil sie vorher nicht absehbar ist. Ein sogenanntes »Koagel« hatte sich gebildet, ein Blutklumpen an der Operationswunde, der für Entzündungszeichen sorgte, und mich quasi wieder umgeworfen hatte. Eigentlich war diese nachoperative Komplikation das Schlimmste an der ganzen Mandel-Operation, weil ich darüber im Voraus nichts wusste und sie mich wirklich mit Fieber hat darniederliegen lassen, was vorher nicht einmal die Operation selbst geschafft hatte.
Meinen Armbruch habe ich nicht bemerkt â es tat nur ein bisschen weh
Meine nächste Krankenhausgeschichte (da war ich in der 7. Klasse) hatte ich mir selbst zuzuschreiben: Ich hatte versucht, Fahrrad zu fahren â auf den Pedalen stehend und ohne die Hände am Lenker zu halten. Natürlich flog ich über den Lenker und brach mir beim Auftreffen den Unterarm. Da ich nicht sonderlich schmerzempfindlich bin und nur merkte, dass ich nicht mehr radeln konnte, da es mir nicht mehr möglich war, den Lenker mit der rechten Hand richtig zu fassen, schob ich das Rad heim und erklärte meiner Mutter, dass ich mit dem Rad gefallen sei und mein Arm ein bisschen weh tue. Als sie mich anschaute, bekam sie einen Schreck und meinte, ich sei leichenblass (kann man das eigentlich spüren? Ich wohl nicht). Dann sah sie sich den Arm an, vermutete bereits, er schien gebrochen zu sein, ich müsse ins Krankenhaus fahren. Ich fand das hochspannend! Ich war die erste aus unserer Familie (meine Eltern haben vier Kinder bekommen), die sich â vermutlich â etwas gebrochen hatte!
Meine häufigen Kopfschmerzen lagen an einem Angiom im Gehirn
Jetzt kommt meine gröÃte, längste und folgenreichste Krankenhausgeschichte: Der Arzt, der bei mir auch das Asperger-Syndrom diagnostiziert hatte, war wohl, nachdem ich Anfang 2002 über häufige Kopfschmerzen berichtete, die ich aber trotz allem für völlig normal hielt (weil auch mein Vater oft Kopfweh hat und ich in der Schulzeit und auch in der folgenden Ausbildung viel Stress hatte und die Kopfschmerzen einfach für eine logische Folge hielt) irgendwie hellhörig geworden und überwies mich für ein MRT des Kopfes an eine Praxis für Radiologie. Dieses MRT zeigte einen deutlichen Unterschied zwischen dem linken (normalen) und dem rechten (merkwürdig aussehenden) vorderen Bereich des Gehirns. »GefäÃmissbildungen« nannte es der Radiologe dieser Praxis; alles Weitere solle ich mit dem überweisenden Arzt besprechen. Dieser versuchte zuerst, mich zu beruhigen, sagte aber spontan, als er die Bilder sah: »Oh, das ist aber groë! Ein solcher Satz ist nicht dazu angetan, jemanden zu beruhigen, der die Bilderschon gesehen hat und weiÃ, dass es sich um Aufnahmen des eigenen Gehirns handelt!
Es war etwa hühnereigroà und wurde bezeichnet als arteriovenöses Angiom oder auch AVM (arteriovenöse Malformation); es müsse entfernt werden. Dazu gäbe es unterschiedliche Verfahren, von Bestrahlung zur VerschweiÃung der zuführenden Arterien über Verklebung über einen Katheter, der durch die Leistenarterie bis in die zuführenden GefäÃe des Gehirns geschoben wird, bis hin zum Aufsägen und Herausschneiden.
Das arteriovenöse Angiom wurde zu meinem Spezialinteresse
Meine erste Tat, nachdem ich nach Hause gekommen war, war es, das gesamte Internet über Informationen zu dieser Sache auszuquetschen. Dabei fand ich heraus, dass es selten ist (wie könnte ich mir auch etwas heraussuchen, das fast jeder hat?), dass manche Behandlungsmethoden nur bis zu einer gewissen GröÃe möglich sind, und dass meines definitiv zu groà war, um es operationsfrei stillzulegen. Von dem Moment an wusste ich, dass ich um eine
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