Assassine - Hüterin des Drachenbaums (German Edition)
seinen Befehl. Der Vampir konzentrierte sich und beschwor die Macht seiner Klinge. Das bläuliche Leuchten wurde intensiver und eine violette Aura umspielte den mächtigen Zweihänder. Es sah aus wie dunkler Nebel, der jeder Bewegung folgte, zerfaserte und sich aufs Neue bildete. Rugor hob sein Schwert, den Griff mit beiden Händen fest umklammert, über die rechte Schulter und stürmte durch den Felsbogen. Wortlos folgten ihm die rot gerüsteten Zwerge.
Der Anblick war atemberaubend: Eine riesige, natürliche Höhle lag vor ihnen. Steinerne Pfeiler, an die zwanzig Schritt breit, stützten die Decke in unregelmäßigen Abständen. Dem Weg, den Rugor und seine Leute kamen, schloss sich eine schmale Steinbrücke an, die auf ein Plateau führte. Unter ihr verlief ein Strom aus geschmolzenem Gestein. Die stickige Luft war heiß und flirrte. Es war den Zwergen anzusehen, dass ihnen das Atmen schwerfiel. Rechts waren zwei gigantische Löcher in der Wand zu erkennen, aus denen unablässig Lava floss. Ätzender Dampf stieg auf, wenn sich die dicklich-zähe Masse in den Abgrund ergoss. Auf der linken Seite war genau dasselbe Schauspiel zu sehen, nur dass der Strom auf die Plattform stürzte und sich dort seinen Weg weiter hinunter suchte. Funken stoben immer wieder auf, als das flüssige Gestein den steinernen Untergrund traf. Gurgelnd und blubbernd floss die Masse dahin, umspülte eine der mächtigen Säulen und stürzte dann an der Bruchkante in die Tiefe. Der schwefelhaltige Dampf, der als gelber Nebel in der Höhle stand, biss in den Augen. Von dem Anblick fast überwältigt zwang sich Rugor, sich auf seine nächste Umgebung zu konzentrieren.
Die Rinne mit dem brennenden Öl überquerte die Brücke und formte dann ungefähr fünfzig Schritt entfernt das Siegel des Ordens auf dem Plateau. Wie ein flammendes Gemälde lag es vor ihnen. Im Anschluss daran konnte der Komtur eine kleine Erhebung erkennen, auf der ein thronähnliches Gebilde stand. Es schien fast ausschließlich aus schwarzem, glänzendem Gestein zu bestehen. In unregelmäßigen Abständen waren Rubine zu erkennen, die aber nicht geschliffen oder behandelt waren. Auch in ihrer natürlichen Form zogen die Steine Rugor in ihren Bann.
Der Trupp überquerte nun vorsichtig die Steinbrücke und umrundete das brennende Siegel von beiden Seiten. Als sie sich dem Thron näherten, erblickte der Vampir eine ausgemergelte Gestalt, die darauf saß. Der Komtur hob die Hand und die Zwerge verteilten sich mit erhobenen Hämmern um das Siegel. Rugor kannte denjenigen, der da die Halle des Großmeisters entweihte, nur allzu gut. Er hatte selbst schon in bedeutenden Schlachten mit dieserzwielichtigen Person Seite an Seite gekämpft. Kein Geringerer als Xarax, der Nekromantenkönig, saß dort oben vor ihm.
»Ich nehme an, Ihr seid heute nicht als unser Verbündeter hier«, stellte der Komtur nüchtern fest.
»Nein, das bin ich diesmal nicht.« Die Stimme des untoten Hexenmeisters klang wie flüsternder Wind, eisig und nicht von dieser Welt. Unendliches Wissen und Boshaftigkeit schwangen darin mit. Der Nekromantenkönig war in die Tracht seines Volkes gekleidet, das er selbst vor Tausenden von Jahren versklavt und zu untoten Dienern gemacht hatte. Um seine Macht in der westlichen Wüste zu erhalten und nicht selbst von einem der aufstrebenden Völker unterworfen und vernichtet zu werden, hatte er den Rubinfalken geholfen, das Gleichgewicht in Tiro zu bewahren. Eine Zweckallianz, die trotz aller Gegensätze mehrere tausend Winter hielt. Auf wessen Seite genau stand er jetzt wohl?
Vertrocknete, graubraune Haut spannte sich über den dürren Körper. Sie war mit Tätowierungen übersät, deren Schönheit schon lange verblasst war. Goldener Schmuck zierte den faltigen Hals und die knotigen Gelenke. In seinen Knochenfingern hielt er einen Stab, der eine ungeheuere Macht ausstrahlte. Auf seinem Schädel saß eine Krone aus schwarzem Metall, die mit Stacheln und boshaften Runen übersät war. Eine unheilige Aura umgab den Nekromantenkönig, die Rugor einen Schauer über den Rücken jagte.
Der Leichnam beugte sich jetzt nach vorne und grinste den Komtur an. Ein unheimliches grünes Leuchten erhellte die beiden Löcher im Schädel, die einst die Augen beherbergten. Knackende Geräusche der spröden, uralten Knochen waren zu vernehmen. Die Luft entwich pfeifend aus den verschrumpelten, löchrigen Lungen, die schon lange nicht mehr benutzt wurden. »Anzbacher stellte mich vor die Wahl,
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