Assassine - Hüterin des Drachenbaums (German Edition)
sehr alter Freund von mir lebt. Er wird dich unterweisen und dir mit Rat und Tat zur Seite stehen. Er ist etwas ganz Besonderes, behandle ihn gut.«
Im letzten Satz schwang ein ironischer Unterton mit, der nicht zu überhören war, aber Ari entschied sich, nicht weiter nachzufragen. Er teilte der Dunklen mit, dass er nun mit der Öffnung eines Portals begänne. Es würde seine Zeit dauern, und der Großmeister gab ihr zu verstehen, dass sie noch einmal den Blick von der Burgmauer genießen sollte. Er würde sie wissen lassen, wenn alles bereit war. Ari war ein wenig verwundert über dieses Verhalten. Sie hatte sich bereits von ihren Freunden verabschiedet und wollte ihnen nicht noch einmal begegnen, um es ihnen allen nicht schwerer zu machen, als es ohnehin schon war. Daher nahm sie den Weg vorbei an dem Bild mit dem Drachenbaum. Wieder blieb sie vor ihm stehen und ließ sich inspirieren. Sie bemerkte, dass sie Kraft aus dem Gemälde zog. Nach einer Weile setzte sie ihren Weg fort und betrat den Burghof. Etwas war hier anders. Sie brauchte einige Zeit um zu erkennen, dass die Statuen, die hier überall gestanden hatten, nicht mehr da waren. Laute Geräusche von außerhalb der Festungsmauern drangen an ihr Ohr. Die Dunkle beschleunigte ihren Schritt und stieg die Treppen zur Burgmauer hinauf. Oben angekommen stockte ihr der Atem. Tausende von Kriegern standen in Regimentsblöcken geordnet da und überprüften ihre Waffen und Ausrüstung. Offiziere brüllten Befehle. Zwischen den Kriegern blieb in der Höhle kaum noch Platz. An der Stirnseite der Armee erkannte Ari ihre Freunde. Sie stachen wegen ihrer auffälligen Rüstungen aus der Masse an Leibern heraus.
Ein Stück von ihnen entfernt saß ein bleicher, bärtiger Mann auf einem Lehnstuhl und schlief. Sie erkannte Argo an seinem Gewand und dem auffälligen Magierstab. Die Macht dieses Zauberers schien keine Grenzen zu haben. Zu gerne wäre Ari hinuntergestiegen, um sich mit den neuen Soldaten zu unterhalten. Vielleicht hätte sie einige Seelen aus früheren Tagen erkannt, vielleicht hatte Mandrax sich geirrt und die Persönlichkeiten der Dunklen waren erhalten geblieben. Das alles nagte sehr an ihr. Nur ein einziges Gespräch oder ein Hinweis, dass es ihr Volk war! Dass alle in Sicherheit waren und sie ihren Eid erfüllt hatte!
Ihr Augenmerk fiel auf eine Standarte in der Nähe der Mauern. Ari schluckte bei ihrem Anblick. Eine silberne Spinne, die in ihrem Netz saß. Das wardas Banner, unter dem sie selbst in der letzten Schlacht gekämpft hatte. Ari wusste, es war allerorts üblich, dass die Kommandeure der verschiedenen Einheiten ihr eigenes Feldzeichen kreierten. Es musste also geklappt haben. Tränen der Erleichterung und des Glücks schossen ihr in die Augen, eine ungeheure Kraft strömte durch ihre Adern und erfüllte den ganzen Körper. Erst jetzt bemerkte sie, wie sehr sie unter der Last des Eides, den sie dem Hochfürsten gegeben hatte, gelitten hatte.
Mandrax’ Stimme hallte in ihrem Kopf. »Ari, was du siehst, entspricht der Wirklichkeit. Die Seelen deines Volkes sind zurück und werden die Gelegenheit bekommen, ihre Vernichtung zu rächen. Komm jetzt zu mir. Die Vorbereitungen sind abgeschlossen und es wird Zeit für dich zu gehen.«
Die Dunkle ließ noch ein letztes Mal den Blick schweifen. Es war ein erhebender Anblick, der ein großes Stück Hoffnung im Kampf gegen Anzbacher und seine dämonischen Verbündeten bedeutete. Sie machte kehrt und stieg von der Mauer. Sie beschloss, durch den Felsendom zu Mandrax zurückzukehren.
In der großen Halle traf Ari auf einen der neuen Soldaten. Er holte die Rucksäcke ihrer Freunde. Sie hielt ihn an und grüßte ihn mit dem Zeichen des Falken. »Wer bist du?«, fragte sie ihn geradeheraus.
»Mein Name ist Nornio Athterion, Herrin.«
Kein Zweifel, der Name war typisch für ihr Volk. Sie stellte ihm einige Fragen nach seiner Herkunft und Vergangenheit, doch der Soldat konnte sich an nichts außer Dunkelheit und Qual erinnern. Er beschrieb Gefühle der Angst, Verzweiflung und des Gejagtwerdens, doch unvermittelt lächelte er sie an und sagte: »Aber jetzt ist alles gut, Argo und seine Freunde haben mich und meine Kameraden gerettet. Sie werden uns helfen, ein neues Leben aufzubauen. Unsere Fähigkeiten besitzen wir noch, nur haben wir vergessen, wer wir einst waren, aber das wird sich mit der Zeit bestimmt geben.«
Ari blickte dem Soldaten tief in die Augen. Sie hatten einen leichten violetten Schimmer und
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