Assassine - Hüterin des Drachenbaums (German Edition)
die sich nur in höchster Not in die Belange anderer Lebewesen einmischten. Ihr Aussehen war wild. Sie trugen edle Pelze von Tieren, die nur belesenen Gelehrten bekannt waren. Ihr schneeweißes Haar war zu langen Zöpfen geflochten und die Gesichtszüge waren kantig, aber dennoch anmutig. Hellblaue Tätowierungen zierten ihre Körper, die das Auge bei längerem Betrachten völlig verwirrten. Diesem Körperschmuck wurdenauch schutzmagische Eigenschaften zugeschrieben. In ihren eisblauen Augen konnte man die unendliche Weisheit von Jahrtausenden der Abgeschiedenheit und des Lebens mit der Natur ablesen. Ihrem Blick standzuhalten erforderte einen unbändigen Willen – oder grenzenlose Dummheit. Ihre bevorzugten Waffen waren Bogen und zwei Kurzschwerter. Letztere verwendeten sie im Nahkampf, den sie jedoch bewusst mieden – aber nicht, weil sie ihn fürchten mussten. Die Legenden erzählten, dass schon zwei dieser Jäger der weißen Nordwüste genügten, um hundert Mann zu töten, ohne dass die Opfer auch nur einen Blick auf einen Frostelfen werfen konnten. Aber trotz ihrer Fähigkeiten waren sie keine Assassinen. Sie lehnten es strikt ab, zu töten, wenn es nicht unbedingt von Nöten war. Eriel hatte versucht, mit ihnen Kontakt aufzunehmen, da er etwas über ihre magischen Kräfte erfahren wollte. Sie konnten den Zustand von Wasser manipulieren und sogar Springfluten herbeirufen, wenn sie es wollten, jedenfalls erzählte man es sich so in alten Geschichten. Aber der Magier hatte kein Glück. Er wurde einfach ignoriert und links liegen gelassen. Keiner der geheimnisvollen Jäger hatte sich für den Zauberwirker interessiert. Nach einigen Tagen hatte Eriel von seinen Bemühungen abgelassen und sich wieder seinen umgänglicheren Artverwandten zugewandt.
Auch Menschen strömten Tag für Tag in die Lager. Jeglicher Stand war vertreten. Da kamen strahlende Ritter auf stolzen Streitrossen mit reich verzierten Schabracken. Bunte Wappen prangten auf den Schilden und den Umhängen. Mächtige Lanzen mit farbigen Wimpeln flatterten in der Luft. Aber es kamen auch die, die Haus und Hof verteidigten, oder manchmal auch nur ihr blankes Leben, Tagelöhner, Bauern und Vogelfreie. Alle wollten sie ihr Tiro von dem Übel befreien, das über ihre Heimat gekommen war, und das Joch der Knechtschaft abwerfen, um wieder in Freiheit leben zu können.
Die skurrilsten Krieger aber, die sich dem Orden der Rubinfalken anschlossen, waren einige Orkstämme. Diese rauflustigen und brutalen Wesen waren den meisten anderen Völkern ein Dorn im Auge. Ihre massige Erscheinung mit den großen Unterkiefern und den herausragenden Hauern verängstigte viele. Die kleinen roten Schweinsaugen lagen tief in den Höhlen und waren durch Knochenwucherungen gut geschützt. Sie hatten etwas Hinterlistiges und Unberechenbares an sich, weshalb die Krieger der anderen Völker einen weiten Bogen um sie machten. Ihre schlammfarbene Haut mit allen Schattierungen von Grautönen stach aus den Reihen der übrigen Krieger heraus. Es war bekannt, dass sie nur dem Stärksten folgten und in ihrer eingeschränkten Denkweise primitiv und brutal waren. Sie waren Räuber und Mörder. Doch zum Erstaunen der meisten anderen Rassen unterwarf sich ihr Großhäuptling dem Willen Mandrax’. Sogar die Orks schienen erkannt zu haben, dass derAufstieg Anzbachers auch ihre Existenz bedrohte. Nur das konnte der Grund für die Zweckallianz sein, die weder die Orks selbst noch die anderen Völker gerne sahen, denn zu viel war in der Geschichte zwischen den »Schlammhäuten« und den restlichen Bewohnern Tiros geschehen.
Mandrax war seit dem Verlassen des Rubinhorsts verschwunden und hatte Rugor das Oberkommando über alle Krieger übertragen. Der Vampir stand gerade auf einer kleinen Anhöhe, sah dem Zug der Truppen zu und genoss den erhebenden Anblick. Jahrhunderte der Feindschaft zwischen den dort gemeinsam marschierenden Rassen waren vergessen oder zumindest auf Eis gelegt, bis die große Bedrohung beseitigt war. Das Heer war zwar stark gewachsen, aber wenn sie scheiterten, war niemand mehr da, der sich den Dämonen in den Weg stellen konnte. Morgen würde die Hauptstreitmacht die Ausläufer der Kaiserstadt erreichen. Lager mussten errichtet und ein Belagerungsring gelegt werden, der die dämonische Brut gefangen hielt. Der Sturm auf die Hauptstadt der Menschen würde viele Opfer kosten, dessen war sich Rugor sicher. Es quälte ihn in seinem Inneren, dass er die schwere Last der
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