Assassine - Hüterin des Drachenbaums (German Edition)
den ersten Blick schien. Ohne Vorwarnung sprang er mit einem Mal auf und rannte los. Die restlichen Gefährten blickten sich besorgt an. Wolfgar zuckte mit den Achseln und rappelte sich auf. »Wenn es so enden soll, dannist es eben so«, mit diesen Worten fiel der dicke Nordmann in einen leichten Trab.
Sai verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf. Ari stürmte los und rief den beiden noch immer auf dem Boden kauernden Kriegern zu: »Er hat recht, außerdem sparen wir eine Menge Zeit – so oder so.« Sie hörte noch, wie Yasden und Sai vor sich hin fluchten, aber sich dennoch widerwillig in Bewegung setzten.
Die Strecke kam ihr elend lang vor. Die Dunkle konnte das Gefühl, nicht vom Fleck zu kommen, nicht abschütteln. Sie hatten die Entfernung wohl unterschätzt. Es waren bestimmt achthundert Schritt, die sie zurücklegten, bis sie endlich vor der Mauer ankamen. Die Freunde sammelten sich bei einem steinernen Vorsprung. Yasden und Sai nahmen eine Verteidigungshaltung ein und wachten, bis Eriel und Wolfgar wieder zu Atem gekommen waren. Ari begutachtete derweil das Mauerwerk, um Informationen über die Baumeister zu erhalten. Doch sie wurde enttäuscht. Diesen Stil kannte sie nicht und hatte ihn nie zuvor gesehen. Alle Blöcke waren unförmig, es waren keine Quader, aber sie waren perfekt ineinandergefügt. Nicht ein Blatt passte zwischen die Ritzen. Das einzige Volk, das so etwas zustande brachte, waren die Zwerge, aber die bauten klobig und quadratisch. Es ergab keinen Sinn. Die Bemoosung und die Verwitterungen verrieten ihr, dass sich lange niemand um den Zustand der Mauer gekümmert hatte, und sie schloss daraus, dass die Festung verlassen war, denn der steinerne Schutzwall jeder Burg war wie deren Haut – war sie beschädigt, konnten Einflüsse von draußen das Innere bedrohen.
Als alle bereit waren, tasteten sie sich vorsichtig die Wand entlang, bis das Tor in Sichtweite kam. Ari stutzte und deutete auf zwei Wachen, die vor dem Tor standen. Beide waren völlig reglos und starrten in die Dunkelheit. Ihre Schilde und Speere hielten sie in Hab-Acht-Stellung. Die Assassine gestikulierte in Richtung ihrer Gefährten, dass diese sich nahe an der Mauer halten sollten. Sie schlich weiter voran. Ihre Konzentration stieg und sie begann die erste Wache zu fixieren. In ihrer Vorstellung erschien sie zwischen den beiden und beendete deren Leben mit zwei gezielten Dolchstichen. Als sie so weit war, ließ sie die magische Kraft fließen. Es geschah jedoch nichts. Die Assassine runzelte die Stirn, denn sie sollte bereits dort sein, aber ihr Zauber hatte versagt. Nach einigem Überlegen kam sie zu dem Schluss, dass nur eine Möglichkeit in Betracht kam. Sie richtete sich auf und ging offen auf die beiden zu. Sais Augen weiteten sich und er versuchte noch, nach ihr zu greifen, aber sie war bereits außer Reichweite. Leise fluchend und kopfschüttelnd zog er sich in den Schutz der Mauer zurück.
Ari steckte die Dolche weg und hielt ihre Hände so, dass die Soldaten sie sehen konnten. – Keine Reaktion. Ihr fiel auf, dass die Haut der Bewaffneten sehr grau war. Das bestätigte sie noch in ihrer Annahme und sie beschleunigte ihren Schritt. Nach wenigen Augenblicken stand sie vor einem der Wächter und sah ihm in die Augen. Nur kalter Stein starrte ihr entgegen. Sie lief zu dem anderen, auch dieser war versteinert. Deshalb hatte ihre Magie nicht gegriffen! Sie funktionierte nur bei Lebewesen, nicht bei totem Material. Ari huschte jetzt durch das Tor. Beide Flügel hingen locker in den rostigen Angeln. Das Holz war morsch und von Moosen bewachsen. Im Festungshof erwartete sie der gleiche Anblick, überall standen versteinerte Wächter. Alles wirkte wie ein Ölgemälde, als ob jemand die Zeit einfach angehalten hätte. Seltsam daran war nur, dass die Rüstungen und Waffen der Ritter und Soldaten nicht die geringste Spur von Rost aufwiesen, obwohl die Festungsanlage in einem desolaten Zustand war. Ari entspannte sich und rief ihre Freunde zu sich.
Die fünf standen schließlich inmitten des Hofs und bestaunten die Szenerie. Eriel regte an, ins Innere zu gehen, um vielleicht herauszufinden, wer diese Versteinerten waren und vor allem warum sie diesem Schicksal erlegen waren. Mirx landete sanft auf Aris Schultern. Sie wandte sich ihm zu, um ihn zu kraulen. Der Falke hatte von Anfang an den richtigen Riecher gehabt, deshalb war er auch so unbesorgt herumgeflattert. Es drohte zwar augenscheinlich keine Gefahr, aber sie wussten
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