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Assassini

Assassini

Titel: Assassini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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schob einen Stapel Fotokopien, Manuskripte und Agenturberichte, die noch durchgesehen werden mußten, zur Seite und schloß die Augen. Den ganzen Tag schon hatte ihr Unterbewußtsein sich zu Wort melden wollen, hatte versucht, Vals beiläufige Bemerkung, die Elizabeths Erinnerung entglitten war, an die Oberfläche zu spülen, und nun entspannte sie sich, lauschte in sich hinein. Plötzlich schlug sie die Augen auf. Sie hatte eine Stimme gehört.
    Es dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, bis ihr bewußt wurde, daß sie mit sich selbst gesprochen hatte … nein, das stimmte nicht ganz, sie hatte mit Val geredet, und zu ihrem Erschrecken hatte Val geantwortet … Natürlich war es nur eine Erinnerung, eine kleine Zeitreise: Eines Abends hatten sie beide hier im Büro gesessen und auf Curtis Lockhardt gewartet, der sie mit dem Wagen abholen wollte, und dann waren sie zum Abendessen gefahren, in einen exklusiven Nachtclub, den Lockhardt am liebsten besuchte, und Val war schrecklich aufgeregt gewesen, voller Ungeduld. Elizabeth hatte sie gefragt, was denn los sei, doch Val hatte nur den Kopf geschüttelt und gegrinst und hatte erklärt, sie könne es ihr nicht sagen – aber fast wäre sie dennoch mit der Neuigkeit herausgeplatzt, so sehr hatte es sie danach gedrängt. Beim Abendessen hatte Lockhardt einen seiner Bekannten erwähnt, der vor kurzem gestorben war, jemanden, der irgend etwas mit der Kirche zu tun gehabt hatte – verdammt, Elizabeth konnte sich nicht an den Namen erinnern. War es nicht ein irischer Name gewesen? Soviel jedenfalls schien in ihrem Gedächtnis haften geblieben zu sein -und Vals Blick hatte sich ganz kurz mit dem ihren getroffen, und dann hatte Val gesagt: »Damit sind’s fünf«, und Lockhardt war ganz plötzlich stutzig geworden und hatte gefragt: »Wie war das?«, und Val hatte erwidert: »Das sind dann fünf in einem Jahr«, und Lockhardt hatte gesagt, dies sei wohl kaum der richtige Ort und die richtige Zeit oder so ähnlich, und darauf hatte Val Gilda Radner im guten alten Saturday Night Live nachgeahmt und gesagt: »Ist ja schon gut, ist ja schon gut …«
    Fünf in einem Jahr …
    Dann wurde Elizabeth schlagartig von der Erschöpfung übermannt, und sie wachte erst Stunden später an ihrem Schreibtisch auf. Sie ging nach Hause, legte sich ins Bett und schlief zehn Stunden tief und fest durch.
    An den folgenden Tagen wurde sie völlig von ihrer Arbeit in Anspruch genommen.
    Es war schlimmer als je zuvor; sie mußte sich jeden Tag genauestens einteilen, um wenigstens ein paar Stunden Schlaf zu bekommen. Es galt Interviews zu führen, an Redaktionssitzungen und Gesprächen mit der Herstellung teilzunehmen; es mußten Termine mit Druckereien abgesprochen und Berichte in letzter Minute fertiggestellt werden; es galt, Übersetzer zu besänftigen, weil sie Überstunden einlegen mußten; Pressekonferenzen mußten abgehalten werden, und in der Zentrale des Ordens an der Spanischen Treppe traf sie sich mit politischen und kirchlichen Würdenträgern zum Tee, und mit der einen oder anderen Delegation aus Afrika oder Los Angeles oder Tokio zum Abendessen. Aus aller Welt strömten sie in die Heilige Stadt, ruhelos, zahllos, unaufhörlich, all die Pilger, die reichen und die verarmten, die Heiligen und die Zyniker, die Gläubigen und Ungläubigen, die Selbstlosen und die Habgierigen, und sie trugen die Hoffnungen und Segnungen ihrer Kirche mit sich, beteten, daß die bald anstehende Papstwahl in ihrem Sinne ausging oder kamen mit der Absicht, sich die Taschen füllen zu lassen oder anderen die Taschen zu füllen, oder waren entschlossen, ihren Einfluß geltend zu machen und dem riesigen, sich windenden Organismus der römisch-katholischen Kirche ihren Willen aufzuzwingen. Und Elizabeth recherchierte, berichtete, kommentierte das Tun diese Pilger, ihr Kommen und Gehen. Und sie hielt die Ohren auf; immer hielt sie die Ohren auf.
    In den Tagen nach ihrer Rückkehr drehten sich die Gespräche, wohin sie auch kam, vorwiegend um den Gesundheitszustand des Papstes. Einige Journalisten hatten sogar Wetten darauf abgeschlossen, wie lange Calixtus noch leben würde. Das Interesse an derlei Wetten ebbte jedoch entsprechend der neuesten Gerüchte ab oder stieg wieder an. Und immer wieder machte die Meldung die Runde, daß der Gesundheitszustand Seiner Heiligkeit sich dramatisch verändert habe – ob zum Schlechten oder zum Guten, hing von der jeweiligen Informationsquelle ab. Die Chancen der Anwärter auf den

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