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Assassini

Assassini

Titel: Assassini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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war. D’Ambrizzi besaß den kühlen, berechnenden Intellekt, der erforderlich war, um sich mit solchen Problemen auseinanderzusetzen, und jene Männer, die vor vielen Jahren an den Schaltstellen der kirchlichen Macht saßen, hatten diese Eigenschaften sehr schnell in dem jungen Mann aus Triest erkannt. Geld war schon immer dasjenige gewesen, mit dem er am besten umzugehen verstand. So hatte er seine Karriere auch damit begonnen, Geld aufzutreiben; später war er damit betraut worden, große Summen gewinnbringend anzulegen. Mehr als jeder andere Mensch auf der Welt hatte er das Vermögen der Kirche gemehrt, indem er ihre Reichtümer geschickt verwaltete.
    Nach und nach hatte D’Ambrizzi erkannt, wie formbar die Kirche war, wie empfänglich und sensibel gegenüber der Berührung durch einen Liebhaber. D’Ambrizzi hatte die Fähigkeit entwickelt, die Kirche nach seinem Willen zu beeinflussen, sie zu bewegen, das zu tun, was er von ihr verlangte. Und mehr als alles andere wollte er die Kirche schützen und bewahren, wollte sie gegen alles Böse, gegen die Feinde innerhalb und außerhalb der Mauern ihres gigantischen Gebäudes verteidigen. Es war eine gewaltige Aufgabe, aber er hatte sich immer als der richtige Mann erwiesen. Und Pietro Sandanato war während der Jahrzehnte, in denen die Macht D’Ambrizzis gewachsen und gereift war, an dessen Seite gewesen.
    Der Kardinal hatte ihm oft von jener Zeit erzählt, als er seine Berufung erkannt hatte, als ihm klar geworden war, auf welche Weise er der Kirche am besten dienen konnte. Es war in einem heruntergekommenen Büro in Neapel gewesen, das er vor etwa fünfzig Jahren besucht hatte. Bröckelndes, rissiges Linoleum; der Geruch nach Schweiß; Teller voll eingetrockneter Spaghettisoße, an der Ecke eines wackeligen Tisches aufeinandergestapelt. Das Büro eines biederen, frommen, ungebildeten Magnaten, dessen Hoffnungen, was die Zukunft der Kirche betraf, mit denen des jungen D’Ambrizzi übereingestimmt hatten. Father D’Ambrizzi hatte es geschafft, dem schmuddeligen kleinen Mann in seinem schweißfleckigen Hemd hunderttausend Dollar zu entlocken. So hatte es angefangen, vor langer Zeit. Seitdem hatte D’Ambrizzi immer gewußt, in welche Kanäle er das Geld hatte fließen lassen müssen.
    Monsignore Sandanato lenkte den Fiat in eine versteckte schmale Gasse, parkte vor dem Hintereingang eines alten Krankenhauses und schaltete die Scheinwerfer aus. Es war ein schäbiges, düsteres Gebäude, das in der Dunkelheit fast baufällig wirkte; auf dem Hof lagen Berge von Müll und altem Gerümpel. Die Patienten waren arm und anspruchslos, und kein Mensch wäre auf die Idee gekommen, daß ein Kardinal seinen Fuß in dieses Gebäude setzte – was natürlich genau der Grund dafür war, daß D’Ambrizzi dieses Krankenhaus gewählt hatte. Erst vor drei Wochen war ein Politiker hier vor dem Haupteingang von den Roten Brigaden niedergeschossen worden, und man hatte ihn daraufhin in eine zwanzig Fahrminuten entfernte Klinik gebracht. Dieses armselige alte Krankenhaus war für D’Ambrizzis Zwecke ideal.
    Die dämmrige Eingangshalle war bis auf zwei Männer in blutbefleckten Kitteln menschenleer. Niemand schenkte dem gutaussehenden Priester und dem schmuddelig wirkenden alten Mann auch nur die geringste Aufmerksamkeit. Sie betraten ein kleines Zimmer, das hinter einer dunklen Ecke des Flurs lag, und nahmen auf zwei wackligen Stühlen Platz. Der Kardinal zog den Sherlock-Holmes-Roman hervor und fuhr fort zu lesen – seine Lippen formten lautlos die englischen Worte. Sandanato saß steif und aufrecht da. Sie warteten.
    Dr. Cassoni kam ins Zimmer und entschuldigte sich. Sein zerfurchtes Gesicht war ernst. Er und D’Ambrizzi kannten sich ein halbes Menschenalter, und eben das war der Grund dafür, daß Cassoni bei dem heimlichen Spiel mitmachte, das der Kardinal seit einigen Monaten betrieb. Der Arzt schüttelte entmutigt den Kopf.
    »Sie sehen schrecklich aus«, sagte D’Ambrizzi. »Sie sollten mal zum Arzt gehen.« Er kicherte ironisch, schob sich eine Zigarette in den Mundwinkel und ließ sich von Sandanato Feuer geben.
    »Ach, Giacomo, mir geht es wirklich nicht besonders gut.« Cassoni seufzte und setzte sich auf die Kante des altersschwachen Tisches. »Und das liegt ganz und gar nicht an dieser unchristlichen Stunde.«
    Guillermo Cassoni war Papst Calixtus’ Leibarzt. D’Ambrizzi hatte dem Heiligen Vater, als dessen Krankheit vor zwei Jahren mit heftigen Kopfschmerzen begann,

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