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Assassini

Assassini

Titel: Assassini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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ich tun konnte. Ich wußte, wo ich beginnen konnte.
    Es waren zehn Jahre vergangen, seit ich Robbie Heywood – schon damals ein alter Mann – das letzte Mal getroffen hatte. Nach Aussage meines Vaters hatte jedermann Heywood immer nur ›Vikar‹ genannt. Heywood mußte jetzt um die siebzig Jahre alt sein. Ich war ziemlich sicher, daß er noch lebte, denn er war ein zäher alter Knochen und gehörte zu den Typen, die nicht so schnell kaputtzukriegen waren. Er war ein alter australischer Journalist, der seit Mitte der dreißiger Jahre über Europa berichtet hatte, von Paris bis Rom.
    Mein Vater kannte ihn natürlich schon viel länger, seit 1935, als Dad in Rom für die Kirche Finanzgeschäfte getätigt hatte. Er hatte mich dem Vikar auf jener Reise nach Paris vorgestellt, bei der Val und ich auch Bischof Torricelli kennengelernt hatten. Später dann hatte ich immer wieder mal bei Robbie Heywood hereingeschaut und ihn zum Abendessen in einem guten Restaurant eingeladen, wenn ich beruflich in Paris zu tun gehabt hatte. Die Gespräche drehten sich zumeist um meinen Vater, Robbies alten Freund, und um die Kirche, denn der Vikar fand meinen abenteuerlichen Abstecher zu den Jesuiten außerordentlich erheiternd. Er war, glaube ich, der einzige Mensch, der aufrichtig über diese ganze Geschichte lachen konnte und mir nicht das Gefühl gab, auf den Arm genommen zu werden. Oder mich provozierte, ihm eine runterzuhauen. Und weil er die ganze Sache ehrlich lustig fand, ohne irgendwelche Hintergedanken, konnte auch ich sie in seiner Gegenwart komisch finden, wirklich und wahrhaftig, obwohl sie alles andere als das gewesen war. Robbie war, glaube ich, eine Art Weiser, wie ihn paradoxerweise nur die Kirche selbst hervorbringen konnte, beziehungsweise die Beschäftigung mit der Kirche; ein Katholik, der sich nicht zu sehr ereiferte, wenn es um kirchliche Dinge ging – pro oder kontra. Objektiv, leidenschaftslos, mit einem Schuß Ironie. Robbie hatte im Rahmen seiner langen journalistischen Tätigkeit ausgiebig über die Kirche berichtet. Mein Vater hatte ihn als ›aufmerksamen Beobachter des Vatikans‹ bezeichnet, als alten Kenner der ›vatikanischen Szene‹.
    Der Gedanke an Robbie war mir erst auf dem Flug nach Paris in den Sinn gekommen. Ich hätte eigentlich schon eher an ihn denken müssen, hatte ich doch gewußt, daß Val ihre Nachforschungen größtenteils in Paris betrieben hatte. Doch sie hatte Heywood niemals erwähnt, obwohl er sich bei unseren Treffen immer ausführlich nach Val erkundigte. Aber das alles war lange her. Vermutlich hatte Val ihn nur ein einziges Mal gesehen, bei unserer ersten Reise nach Paris, und hatte ihn längst vergessen.
    Aber ich nicht. Und mir war plötzlich etwas sehr Wesentliches klar geworden. Robbie war ein weiteres Bindeglied zur Vergangenheit.
    Er war während des Krieges in Paris gewesen.
    Ich wählte vom Hotel aus seine Nummer, aber niemand hob ab. Ich rief vergeblich im Tabbycats an, einem Café, das Robbie gern und oft besuchte, bis ich mich endlich dazu durchrang, unangemeldet bei ihm hereinzuplatzen und dem alten Knaben eine hoffentlich freudige Überraschung zu bereiten. Der Spaziergang im Regen würde mir guttun. Ich schien die heiße, trockene, einsame Wüste einfach nicht loswerden zu können, nicht in den Augen, nicht im Hals, nicht in den Knochen, nicht im Kopf. Da war mir sogar diese lärmende, übervölkerte, regnerisch-kalte, nasse, nach Abgasen und Schmutz stinkende Metropole noch lieber.
    Robbies Wohnung befand sich in einem der heruntergekommenen, halb verfallenen alten Häuser an der Place de la Contrescarpe, wo sich vor fünfhundert Jahren Francois Rabelais mit Vorliebe herumgetrieben hatte. Der Vikar liebte diese Gegend gerade ihrer rauhen Schäbigkeit, ihrer Vergangenheit, ihrer Geschichtsträchtigkeit wegen. Er hatte mir einmal die Stelle an der Rue Mouffetard gezeigt, wo im Jahre 1939 Bauarbeiter mehr als dreitausend zwanzigkarätige Goldmünzen aus der Zeit Louis’ XV. gefunden hatten. Er hatte die Aufregung, die damals geherrscht haben mußte, so lebendig geschildert, als wäre er Zeuge dieser Entdeckung gewesen. Er hatte die Fähigkeit, die Vergangenheit wieder lebendig werden zu lassen, und jetzt wollte ich ihm genau jene Art von Geschichte vorsetzen, die er am meisten liebte: Raub, Erpressung und Mord. Und an all diesen Verbrechen war die römisch-katholische Kirche beteiligt.
    Ich verließ das Hotel und entspannte mich ein wenig beim Anblick der mir

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