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Assassini

Assassini

Titel: Assassini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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konnte, von der ich nichts wissen konnte, aber irgendwie hörte ich ihn dennoch, konnte jedes einzelne Wort verstehen. »Das alles ist so lange her.« Er legte den Kopf schief, blickte mir in die Augen. »Sie werden mich überzeugen müssen -die schönen und sinnvollen Jahre meines Lebens mögen vorüber sein, aber ich habe nicht das Bedürfnis, früher zu sterben als nötig. Verstehen Sie? Ich habe schon gesagt, daß Sie mir angst machen. Wenn Sie gekommen sind, um mich zu töten – wenn Sie in Wirklichkeit von ihnen gekommen sind –, wenn Rom Sie geschickt hat, mich zu ermorden, dann kann ich nur wenig dagegen ausrichten. Aber falls Sie auf der Suche nach der Wahrheit gekommen sind, wie Sie behaupten, dann werde ich Ihnen meine Geschichte erzählen. Also, kommen Sie, gehen wir ein Stück, und dann werden Sie mir erzählen, wer Sie sind. Lassen Sie uns Geschichten tauschen, die Ihre gegen die meine.« Er lächelte wieder. Er behauptete zwar, Angst zu haben, aber das stimmte nicht. Er hatte nicht die Spur von Angst. »Und sollten Sie doch von ihnen gesandt sein, kann ich Sie vielleicht davon überzeugen, daß ich nur ein harmloser alter Mann bin, der keine Gefahr für Sie und diejenigen darstellt, die Sie geschickt haben. Wer weiß?«
    » Sie « , sagte ich. »Wer sind sie? «
    »Wer immer Sie auch sein mögen, junger Mann, Sie wissen sehr genau, wer sie sind. Warum sonst hätten Sie eine so weite Reise unternehmen sollen? Kommen Sie, kommen Sie, lassen Sie uns ein wenig über die Klippen wandern. Lassen Sie uns ehrlich zueinander sein. Ich werde Ihnen die Gelegenheit geben, mich zu töten.« Er kicherte in sich hinein, als hätte er mir irgendwie einen Streich gespielt. Er marschierte los, und ich hielt mich an seiner Seite.
    Während des Zweiten Weltkriegs mußte die katholische Kirche wie jede andere große Institution in Europa verzweifelt um ihr Überleben kämpfen. Die Amtsgeschäfte mußten, entsprechend der jeweiligen Kriegslage, mit größter Vorsicht und äußerster Behutsamkeit geführt werden, mußten immer wieder dem schwankenden, sich ständig verlagernden Gewicht von Einfluß und Macht der gegnerischen Parteien angepaßt werden, mußten, kurz gesagt, den Gesetzen der Realpolitik gehorchen. Erschwerend kam hinzu, daß viele Gläubige aus diesem Grunde an der Aufrichtigkeit der Kirche zu zweifeln begannen; ihre eigenen Moral- und Glaubensvorstellungen wurden von denen der ›angepaßten‹ Kirche unterlaufen, wie Bruder Leo mir darlegte. Somit wandelte sich die Rolle der Kirche, wurde zunehmend doppeldeutig, was auch auf die Tatsache zurückzuführen war, daß die Kirche kaum Verteidigungsmöglichkeiten besaß, keine Machtmittel, um ihre politischen und gesellschaftlichen Vorstellungen durchzusetzen und ihre Unabhängigkeit gegenüber dem Einfluß außerkirchlicher Interessengruppen zu wahren. Zum einen mußte ständig dem Kriegsverlauf Rechnung getragen werden; zum anderen durften die Augen nicht vor den unverhohlenen Greueltaten, die von den Nazis systematisch verübt wurden, verschlossen werden – das durfte man nicht ignorieren, wie gern man dies auch getan hätte, ohne nicht den Rest von Glaubwürdigkeit zu verlieren; und nicht zuletzt mußte der Tatsache Rechnung getragen werden, daß ein Mann wie Pius das Amt des Papstes innehatte, der enge, tiefe und im Grunde geheimnisvolle Verbindungen zum Dritten Reich besaß, was unberechenbare Konsequenzen für die Kirche zur Folge hatte.
    Dieses Bild der Verwirrungen und Verirrungen – was Moralvorstellungen, Ziele und Auswirkungen betraf – wurde noch deutlicher, als eine seltsame Antwort seitens der Kirche auf den Naziterror erfolgte: Das plötzliche Auftauchen eines Kaders, der sich aus katholischen Pariser Aktivisten zusammensetzte – Priester, Mönche, einige Laien –, die von einem Geistlichen rekrutiert wurden, der bei diesen Männern nur unter dem Namen ›Simon Verginius‹ bekannt war – eben jener Simon, auf den ich gestoßen war. Er schweißte diese Gruppe zusammen: durch einen heiligen Schwur, bis ans Ende des Lebens Stillschweigen zu bewahren. Nie gaben diese Männer preis, daß sie einer Bruderschaft angehörten, niemals verriet einer von ihnen das Geheimnis seiner wahren Identität an jemanden von außerhalb. Solange sie eine derart eingeschworene Gruppe blieben, waren sie sicher vor Verrat und Enttarnung.
    Aber natürlich konnten trotz all dieser Schutzmaßnahmen auf längere Sicht Probleme nicht ausbleiben, wie Bruder Leo mir mit

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