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Assassini

Assassini

Titel: Assassini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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lange Nacht gewesen, in der er sich mit Bruder Leo über die alten Zeiten unterhalten hatte, über jene längst vergangene, kalte Nacht, als sie aneinandergeklammert den Ärmelkanal in einem offenen Boot überquert und im Heulen des Sturms laut gebetet hatten.
    Bruder Leo war verständlicherweise höchst verwirrt gewesen, als sein alter, totgeglaubter Kamerad mitten in der Nacht unangekündigt in seinem Zimmer erschienen war. Der Verwirrung waren dann rasch zuerst Unsicherheit und dann Angst gefolgt. Doch Horstmann hatte den alten Freund beruhigt und ihm die Geschichte aufgetischt, daß er im Auftrag der Geheimen Archive geschickt worden sei, um das Konkordat der Borgia endlich zurück nach Rom zu bringen, an jenen Ort, an den es gehöre. Ja, er sei von Simon persönlich geschickt worden, ja, das Konkordat sei in Rom nun sicher aufgehoben, nach all den Jahren im Exil. Horstmann hatte ein Märchen zusammengesponnen, das der Wahrheit hätte tatsächlich entsprechen können, und Bruder Leo hatte ihm schließlich glauben wollen. Horstmann hatte ihm erzählt, ein betrügerischer Journalist aus New York habe sich auf die Fährte dieses einzigartigen Dokuments gesetzt, da er über die Geschichte ihrer geheimen Bruderschaft gestolpert sei, und daß es sich nun um eine Art Wettlauf handle, einen Wettlauf zwischen der Kirche und der New York Times, die alles im denkbar schlechtesten Licht hinstellen und einen Skandal provozieren wolle, welcher der Kirche großen Schaden zufügen würde. Und dann hatte Horstmann diesen Journalisten beschrieben. Ben Driskill.
    Bruder Leo hatte mit sichtlichem Mißtrauen auf diese Geschichte reagiert, doch die Furcht ob Horstmanns gespenstischem Auftauchen hatte in Leo den Wunsch geweckt, seinem alten Freund zu glauben. Dennoch hatte Horstmann – mit einem Anflug von Bedauern – die Zweifel in den Augen des kleinen alten Mannes gesehen … Kleiner alter Mann. Dabei waren sie fast gleichaltrig.
    Was am darauffolgenden Morgen in der Höhle geschehen mußte, war eine traurige Aufgabe gewesen.
    Bruder Leos Zweifel waren wieder zum Leben erwacht; er hatte gespürt, daß sein alter Kamerad nicht aufrichtig war – und das war sein Verderben gewesen. Der andere, Bruder Padraic, schien sich gar nicht bewußt gewesen zu sein, daß er schon ein toter Mann war, als Horstmann ihm mit einem raschen Schnitt die Kehle aufschlitzte: Er war auf dem Felssims sitzen geblieben und hatte mit seiner Greisenstimme noch irgend etwas vor sich hin gebrabbelt, bevor er plötzlich verstummt war. Leo hingegen war ein Problem gewesen. Er hatte zu entkommen versucht, hatte Driskills Namen gebrüllt, und Horstmann hatte ihn mit einem schnellen, fast zornigen Schnitt getötet, was sonst gar nicht seine Art war, und dann hatte er das Ritual ausgeführt. Er hatte dieses alte Holzkreuz gefunden, das von irgendeiner Zeremonie übriggeblieben sein mußte, die vor langer Zeit am Strand abgehalten worden war, vielleicht sogar eine andere Kreuzigung; das Holz war morsch und wurmstichig, und es war ihm wie ein Omen erschienen, als er das uralte Kreuz an einer Wand der Höhle hatte lehnen sehen: Simon hätte diese Geste verstanden, diese Kreuzigung. Er hatte ja selbst einmal eine solche Strafe vollzogen, damals in Frankreich, irgendwo auf dem Lande, an einem Priester, der versucht hatte, sie an die SS zu verraten …
    Bruder Leo war um keinen Deut besser als jener Mann, der sie alle damals zum Schluß verraten, ihre Gruppe zersprengt und die wenigen Überlebenden in alle Winde verstreut hatte. Leo hatte um das Geheimnis des Konkordats gewußt und dennoch die Absicht gehabt, es einem Fremden zu geben. Simon aber hatte vor langer Zeit keinen Zweifel an der geheiligten Notwendigkeit gelassen, Verschwiegenheit zu wahren, was dieses Dokument betraf. Doch Leo hatte es Driskill geradezu aufgedrängt. Unbegreiflich.
    Rasch zu sterben war nicht Strafe genug. Das Ritual – so uralt wie martialisch – war notwendig gewesen, die angemessene Bestrafung für einen in alle Ewigkeit Verdammten, und Gott hatte ihm, Bruder August Horstmann, die Kraft gegeben, dieses Ritual zu vollziehen …
    Doch der Nebel hatte Driskill verborgen. Und Horstmann hatte nicht auf ihn warten wollen. Driskill.
    In Horstmanns Augen war er ein Höllenhund. Ja, Driskill war eine Kreatur des Satans. Teufelswerk. Der Nebel hatte ihn gerettet, sonst hätte er Leos Platz am Kreuz eingenommen.
    Warum entkam er immer wieder? Würde er denn niemals sterben?
    In jener eisigen Nacht

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