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Assassini

Assassini

Titel: Assassini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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einemmal schwächer und schwächer wurde und dann erstarb.
    Wieder stieg die bohrende Frage in mir auf: Warum war Summerhays hier? Warum sollte ich ausgerechnet ihm vertrauen? Warum sollte ich irgend jemandem vertrauen? Die Überraschungen nahmen einfach kein Ende. Ich kam mir vor, als stünde ich in einem Abwasserkanal, als schäumte und gischtete die dreckige Brühe um mich herum, und in den dunklen Nischen, zum Greifen nahe, pfiffen die Ratten – und ich konnte mich nicht von der Stelle rühren.
    Der andere Mann hatte den gefiederten Hut abgenommen und fächelte sich damit Luft zu. Dieses Metronom aus Filz schwang ungefähr in Summerhays’ Schulterhöhe hin und her. Die Feder spreizte sich rhythmisch vor dem dunkelgrünen Stoff. Dann wandte der Mann sich um, und ich sah sein Gesicht. Er hatte einen Schnauzer, trug eine Brille und besaß einen olivfarbenen Teint. Eine Wange sah so aus, als wäre sie vor langer Zeit als Wurfscheibe benutzt worden. Noch augenfälliger war das gräßliche, schartige, vernarbte und verzogene Gewebe, das sich zwischen dem Kinn und dem Knoten der Krawatte erstreckte. Vielleicht hatte die Wange, diese Wurfscheibe, als Objekt einer Art Aufwärmübung gedient mit dem Ziel, diesem Mann später die Kehle durchzuschneiden. Herrgott noch mal, Drew … Dieser verunstaltete Bursche stand da mit Drew Summerhays, einem der mächtigsten kirchlichen Laien der Welt, als wären sie alte Kumpel.
    Ich beobachtete die beiden aus dem Innern meines Alptraumtunnels und verspürte wieder jenes Gefühl, das mich an der irischen Küste beim Anblick des gekreuzigten Bruder Leo so tief erschüttert hatte. Eine Art konservierte, tiefgekühlte Furcht, die mir in die Adern gespritzt wurde. Aber da war noch etwas, das jenseits aller Ängste lag. Der winkende Arm des alten Mannes … die sich bauschende Feder an diesem verrückten Hut … ich konnte den Sinn nicht erkennen, ich wußte nicht, wo es gewesen war und wohin es führen mochte, aber ich wollte nicht dorthin gehen …
    Ich wartete zu lange.
    Summerhays drehte sich um. Unsere Blicke trafen sich, und er erkannte mich sofort. Ich sah, wie der andere Mann schlagartig aufhörte, sich mit dem Hut Luft zuzufächeln, denn Summerhays hatte ihn am Ärmel seines Trenchcoats gepackt; seine Augen waren noch immer starr auf mich gerichtet. Diese wenigen Sekunden schienen eine Ewigkeit zu dauern. Ich war wieder in einem Niemandsland gefangen, starrte auf die Hand, die den Ärmel hielt, sah das Nicken Summerhays’, während ich zu begreifen versuchte. Aber ich konnte es nicht. Irgend etwas war im Gange, aber ich wußte nicht was. Hatte Summerhays meinen Namen gerufen? Ich konnte nicht hören. Nicht begreifen. Nichts mehr. Aber eins war mir klar: Ich mußte hier weg. Und zwar schleunigst.
    Ich löste mich aus meiner Erstarrung, warf mich herum, kämpfte mich durch die dichte Menschenmenge und schubste und stieß einige Leute, denen ich kurz zuvor schon auf die Füße getreten war. Jemand beschimpfte mich wütend und versetzte mir einen Schlag mit der Hand, die eine Flasche Wein hielt, der über den Ärmel meines Mantels spritzte, aber dann war ich an ihm vorbei, durchbrach schließlich die Mauer aus menschlichen Körpern und rannte fort von den Lichtern und in die Dunkelheit.
    Ich mußte weg hier. Ich warf einen raschen Blick über die Schulter, sah, daß die Unruhe unter den Zuschauern noch andauerte. Der Mann mit dem komischen Hut war hinter mir her.
    Ich spürte eine Ausbeulung an meiner Manteltasche. Die Spielzeugpistole.
    Weg hier, nur weg.
    Atemlos, mit klopfendem Herzen, hielt ich in einer schmalen Straße an, blickte mich gehetzt um und verschwand in einer Gasse, drückte mich eng an die Mauer. Sogar über die Seitenstraßen strömten Massen von schnatternden, bunt kostümierten Touristen. Ich versuchte mich zu entspannen, wieder zu Atem zu kommen, schloß für einen Moment die Augen. Ich hörte ein Geräusch direkt vor mir, und als ich die Lider öffnete, blickte ich in die funkelnden Augen eines Mannes, in ein Gesicht, das von einer Kapuze verdeckt und ganz dicht vor dem meinen war. Ich konnte den fauligen, widerlichen Atem riechen, als er ein grunzendes Geräusch von sich gab und die zu Krallen geformten Hände nach mir ausstreckte wie der Tod. Seine Finger streiften mein Gesicht, und ich zuckte zurück, prallte mit dem Hinterkopf gegen die Mauer und beschimpfte den Kerl.
    Wieder stieß er dieses Grunzen aus, griff mit der Hand nach mir; ein Bettler, der sich

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