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Assassini

Assassini

Titel: Assassini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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Urteil. »Nicht nötig, Monsignore.« Die Neuigkeit hatte sich in Windeseile in der Menge verbreitet. Das Stimmengewirr war erregt, hatte jene beinahe hysterischen Untertöne, die der Größe des Augenblicks entsprangen – eines Augenblicks von historischer Bedeutung. Endete Calixtus’ Amtszeit heute abend? Wurde man Zeuge, wie der sterbende Papst in den letzten Stunden seines Lebens den eigenen Hoffnungen Ausdruck verlieh, was seinen Nachfolger betraf? Würde sein Letzter Wille Gewicht haben? Was würde der Morgen bringen?
    D’Ambrizzis schwere Hand legte sich auf Sandanatos Schulter. »Das haben Sie gut gemacht, Pietro. Ich hatte damit gerechnet, daß Calixtus noch heute abend einen Boten braucht. Nun … so sei es. Und jetzt müssen Sie uns ein bißchen Gesellschaft leisten. Keine Widerrede.«

6
    Schwester Elizabeth stand neben den Doppeltüren des privaten Speisezimmers und versuchte zu ergründen, welche Überraschungen Kardinal D’Ambrizzi noch auf Lager haben mochte. Das Zimmer war klein, gemütlich und stimmungsvoll. Das Licht zweier Kristallüster fiel auf den gedeckten Tisch; die Kellner gehörten zum Personal des Hassler. Daß D’Ambrizzi dieses Hotelzimmer gewählt hatte, schien eine Art Zugeständnis an sie und Driskill zu sein: Es befand sich nur wenige Etagen von Bens Zimmer entfernt, und das Mutterhaus von Elizabeth’ Orden lag direkt auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes. Aus irgendwelchen Gründen – und Elizabeth hatte den Eindruck, daß es sich um recht gewichtige Gründe handeln mußte – hatte D’Ambrizzi ihr das Versprechen abgenommen, die Nacht im Ordenshaus zu verbringen, statt in ihre Wohnung in der Via Veneto zurückzukehren.
    Im Moment redete der Kardinal mit einem Mann, der eine riesige Maulwurfsnase hatte. Driskill stand bei Drew Summerhays, den Elizabeth auf Vals Beerdigung kennengelernt hatte, und hörte ihm zu. Bens Gesicht war unbewegt, zeigte keinerlei Regung, doch in seinen Augen lag ein seltsamer Ausdruck: eine Mischung aus Erschöpfung und Erstaunen.
    D’Ambrizzi war bis jetzt bemerkenswert souverän aufgetreten. Er hatte sie alle – Elizabeth, Dunn, Driskill – den ganzen Abend geführt, geleitet, hatte fast alles für sie arrangiert und inszeniert -genaugenommen schon, seit sie in Rom eingetroffen waren. Sie dachte an seinen Auftritt bei Indelicatos Fest und dann an den geheimnisvollen Abstieg in Indelicatos Unterwelt; sie versuchte immer noch, mit dem Anblick der unermeßlichen Nazi-Schätze fertig zu werden. Der Wert des Dollars hatte sich in den letzten vierzig Jahren erhöht um – wieviel? Um das Zehnfache? Das Hundertfache? Wie auch immer, in diesem Kellerraum verbargen sich unbezahlbare Schätze.
    Drew Summerhays stand nun mit einem Glas Sherry in der Hand bei einem kleinen, stämmigen Mann, dessen Hals und Kehle vor langer Zeit mit einem Kartoffelschäler oder einer scharfen Feile bearbeitet worden zu sein schienen. Ein grauhaariger Herr mit breiten, nach vorne geneigten Schultern, großen, wäßrigen Augen und dunklen Tränensäcken unterhielt sich mit Monsignore Sandanato. Elizabeth war ihm vorgestellt worden; es war Dr. Cassoni. Als sie im Zimmer umherging, wechselte sie ein paar Worte mit dem Mann mit der Maulwurfsnase, einem alten Journalisten aus Paris namens Paternoster. Vater Unser … Clive Paternoster.
    Sie fragte sich, ob sich auch Archduke unter den hier Versammelten befand. Es wäre typisch für D’Ambrizzi, Archduke, den Verräter, mitten in die Arena dieses kleinen Zirkus zu bringen. D’Ambrizzi, der todesmutige Hochseilartist, der immer ohne Netz arbeitete.
    Father Dunn schlängelte sich durch die Reihen der Gäste, wechselte ein kurzes Wort hier, ein kurzes Wort da, bis er schließlich mit einem Glas Sherry in der Hand bei D’Ambrizzi anlangte. Ihr Gespräch drehte sich um allgemeine Themen, wie Elizabeth feststellte, als sie sich zu den beiden gesellte. Wie so oft war sie die einzige Frau in einer Männergesellschaft. Sie hörte, wie D’Ambrizzi sich über die Fernsehsendung und Indelicatos ungewohnten Ausflug in die Welt der Werbung lustig machte. Es wurden Vermutungen über den Gesundheitszustand des Heiligen Vaters angestellt wie sicherlich auf jeder Gesellschaft in Rom an diesem Abend. Und es fielen Bemerkungen über den Rummel, der nach Calixtus’ Tod beginnen würde, wenn die Kardinale aus allen Ecken der Welt anreisten, um seinen Nachfolger zu wählen. Father Dunn konnte der Versuchung nicht widerstehen und berichtete

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