Assassini
von Erzbischof Kardinal Klammers Ambitionen, der erste Papst amerikanischer Herkunft zu werden.
Auch das Abendessen verlief in gelockerter Atmosphäre, bis die Gäste sich zu fragen begannen, aus welchem Grunde der Kardinal gerade sie in diesen erwählten Kreis aufgenommen hatte. Unvermeidlicherweise kam auch Indelicatos plötzlicher Ruf in den Vatikan zur Sprache, und leichte Unruhe breitete sich aus. D’Ambrizzi jedoch lächelte nur und betonte, es bestehe kein Anlaß, ihn derart gespannt zu mustern; er habe keine Ahnung, was dem Papst am heutigen Abend auf dem Herzen liegen mochte. Nach dieser Bemerkung kicherte er – was eher einem tiefen Grollen in seiner mächtigen Brust ähnelte –, und die Gäste wandten sich wieder unverfänglichen Themen zu.
Elizabeth hatte sich einen Stuhl an der Seite Bens erobert, was dieser mit einem dankbaren Lächeln quittierte. In seinen Augen lag immer noch der seltsam bedrückte Ausdruck. Schließlich fragte sie ihn, ob mit ihm alles in Ordnung sei.
»Ja, sicher«, sagte er und dann: »Nein, natürlich nicht. Soll das alles so einfach enden? Ist das hier schon das Ergebnis? Nichts?« Er sprach leise, und seine Stimme war bar jeder Nervosität. Niemand sonst konnte ihn hören. Sein Gesicht blieb leer und ausdruckslos. »Gut, vielleicht werden keine weiteren Morde verübt. Aber erwartet man, daß wir damit zufrieden sind? Was ist mit Val? Was ist mit Ihnen und mir? Es ist ein Wunder, daß wir noch leben, Sie und ich, und jetzt verläuft das alles im Sande, kommt einfach zum Stillstand … War das etwa alles?«
Elizabeth nickte. Sie wußte, wie er sich fühlte. »Man schließt uns aus der Sache aus. Aber was sollen wir denn tun?«
Ben zuckte die Achseln. »Ich weiß es nicht. Ich will herausbekommen, wer Horstmanns Auftraggeber ist. Aber plötzlich sind alle die besten Saufkumpane. Vielleicht ist das alles zu hoch für mich, aber ich will nun mal wissen, wer auf die Idee gekommen ist, Sie vom Balkon stürzen zu lassen, wer Horstmann die Liste mit den Namen der Mordopfer gegeben hat, wer dieser Bastard ist … ich will Simon töten, und ich will auch Horstmann finden und ihn töten. Ich weiß, ich rede wie ein Irrer, aber auch manche verrückten Ideen sind es wert, daß man daran festhält. So darf es nicht enden.« Sie hatte bei ihm noch nie so tiefe Bitterkeit erlebt. »Was ich von anderen einstecken muß, zahle ich mit gleicher Münze heim. So war ich als Footballspieler. So bin ich als Anwalt. Und so werde ich jetzt als Vals Bruder handeln. Man hat versucht, uns zu töten, ohne daß wir die Gelegenheit hatten, zurückzuschlagen. Aber nicht mit mir. Ich will meine Chance, zurückzuschlagen.« Er grinste sie plötzlich an. »Ich habe sie mir verdient.«
Elizabeth streckte den Arm aus und legte ihre Hand auf die seine, wie selbstverständlich, als hätte sie das schon tausendmal getan. Jetzt, da sie ihren ganzen Mut zusammengenommen und ihn in seinem Hotelzimmer aufgesucht und ihren dummen Stolz und die Selbstgefälligkeit und Überheblichkeit und die starren Grundsätze über Bord geworfen hatte, war alles anders. Jetzt konnte sie seine Hand nehmen und sie streicheln, ohne das Gefühl zu haben, sich dafür tadeln zu müssen, sich den Vorwurf machen zu müssen, daß die Kirche, und nur die Kirche, Richtschnur ihres Lebens sei. Damals in Princeton, ja, da hatte sie noch an diesen tugendhaften Unsinn geglaubt. Aber jetzt, hier in Rom, wußte sie nicht mehr, woran sie glauben sollte.
D’Ambrizzi bat die Versammelten mit erhobener Stimme um ihre Aufmerksamkeit. Erst jetzt wurde Elizabeth bewußt, daß das Abendessen vorüber war. Sie hatte nicht die leiseste Ahnung, was sie eigentlich gegessen hatte. Ihr gegenüber am Tisch straffte sich Sandanato, versuchte, die letzten Energien zu mobilisieren. Seine Augen schienen kaum noch fähig, die Umgebung wahrzunehmen. Auf seiner Stirn standen große Schweißtropfen. Er wischte sich mit dem Handrücken über die dunkel umrandeten, blutunterlaufenen Augen. Sein Blick huschte über Elizabeth hinweg und blieb auf D’Ambrizzi ruhen. D’Ambrizzi. Sandanatos gestürztes Idol.
»Ich möchte Ihnen allen danken, daß Sie meiner Einladung gefolgt sind.« D’Ambrizzi hatte sich erhoben und sprach mit ruhiger Stimme, offenbar vollkommen gelassen. »Vielleicht werden Sie sich fragen, warum ich so großen Wert darauf gelegt habe, heute abend Ihr Gastgeber sein zu dürfen. Nun, es gibt mehrere Gründe. Ich möchte Ihnen sagen, warum Sie alle hier
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