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Assassini

Assassini

Titel: Assassini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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Voraussetzung nahm alles eine Gestalt an, die erkennbar war.
    Summerhays. Das hatte meinen Vater überrascht. Natürlich, was denn sonst. Wie hätte es anders sein können?
    Summerhays, Indelicato und Sandanato hatten sich verschworen, um die Kirche zu retten, ihre Kirche, auf ihre Weise, und dazu hatte auch der Mord an meiner Schwester gezählt …
    Bei ihrer Rückkehr nach Princeton hatte ihr vieles auf dem Herzen gelegen. Sie hatte Vater und mir davon erzählen wollen, was sie über das Krebsgeschwür herausgefunden hatte, das in der Kirche wucherte – es konnte gar nicht anders sein. Aber sie hatte sich auch daran erinnert, was meine Mutter gesagt hatte. Hugh, du hast es getan …
    Und jetzt war es an mir, bestimmte Entscheidungen zu treffen. Was konnte ich meinem Vater sagen? Gab es irgendeinen Grund, ihm zu erzählen, was meine Mutter gesagt hatte? War es die Wahrheit? Und falls mein Vater Father Governeau ermordet haben sollte – was natürlich erklären würde, weshalb die Sache damals vertuscht worden war –, warum hatte er es getan?
    Also gab es selbstverständlich Gründe, ihn darauf anzusprechen. Aber das half mir nicht weiter bei der Antwort auf die Frage, ob ich es tun sollte.
    Und irgend jemand war dort draußen in der Kälte und dem Schnee und der Dunkelheit und beobachtete uns. Sollte ich ihm wenigstens das sagen? Ob er wohl einen Verdacht hatte, wer dieser jemand sein konnte? Ich wünschte mir sehnlichst zu wissen, wer der Unbekannte war …
    Das Abendessen verlief schweigend. Mein Vater stocherte in den Spaghetti herum, als wäre er mit den Gedanken ganz woanders. Schließlich erzählte er mir ein paar Anekdoten über seine diversen Krankenschwestern, über Peaches, über Margaret Korders mütterliche Besorgnis und über Artie Dunns Bücher, die dieser ihm ins Krankenhaus mitgebracht hatte. Vater hatte versucht, einige davon zu lesen, und festgestellt, daß sie nicht nach seinem Geschmack waren, aber ›die Einbandgestaltung ist gar nicht so übel‹. Das entsprach der Vorstellung, die mein Vater von einem Witz hatte. Dann blickte er mich an und sagte: »Dich beschäftigt doch irgendwas, Ben …«
    »Genauso wie dich«, sagte ich.
    »Dann laß uns darüber reden. Daß du dich vor mir verschließt, schlägt mir auf den Magen. Es sei denn, ich bekomme einen weiteren Herzinfarkt. Und wenn das der Fall ist, mußt du mir eins versprechen – versprich mir, daß du mich sterben läßt.« Er schob seinen Stuhl zurück. »Ich bin so ziemlich bereit, meinen Abgang von dieser Welt zu machen. Komm, laß uns jetzt den Baum schmücken.«
    Ich mußte das verdammte Kabel mit den elektrischen Kerzen um den riesigen grünen Leib wickeln. Dann reichte mein Vater mir die farbigen Christbaumkugeln, die winzigen Rentiere und Schneemänner und das Lametta. Während ich versuchte, mir einen Plan zurechtzulegen, wie ich ihm das sagen konnte, was ich ihm sagen mußte, begann er zu reden. Und als er so vor sich hin redete, wurde mir klar, daß alles sehr viel einfacher gewesen wäre, hätte mein Vater nicht den Herzinfarkt erlitten. Ich war es gewohnt, diesen Mann zu hassen. Er hatte beinahe mein Leben ruiniert. Er hatte mir einmal gesagt, es wäre besser gewesen, wenn ich mit meinem Selbstmordversuch Erfolg gehabt hätte. Alles, was ich je getan hatte, war ihm gegen den Strich gegangen, hatte ihn beschämt, verärgert, in Wut gebracht. Ich hatte es nicht geschafft, Priester zu werden, und seitdem war ich in seinem Herzen und seinem Kopf nicht mehr erwünscht gewesen. Vielleicht hatte D’Ambrizzi mir das zu verstehen geben wollen: Vergib dir, daß du deinen Vater enttäuscht hast. Das war zweifellos ein guter Rat, der nur den Fehler hatte, daß man ihn sehr viel einfacher annehmen als in die Tat umsetzen konnte. Und nun hatte mein Vater mir auch noch die letzte Ungerechtigkeit zugefügt: Er war alt geworden und krank und wäre beinahe gestorben, und der Haß war aus ihm gewichen.
    Und ich war jetzt allein gelassen mit dem Gefühl, meinen Vater enttäuscht zu haben, allein gelassen mit meinem nagenden, schuldbeladenen Haß auf ihn. Ich wußte, daß es ein Fehler war, so zu denken, denn das Ergebnis war nur, daß mein Haß sich gegen mich selbst richtete. Ich blickte hinunter auf das, was von meinem Vater übriggeblieben war, und ich sah die Erinnerung an seine eisige, abweisende Kälte und an seine Verachtung und die brutalen, unversöhnlichen Vorwürfe mir gegenüber, und ich sah, wie dies alles vor meinen Augen schwand

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