Assassini
…
»Ich habe nachgedacht, Ben«, sagte er und reichte mir einen winzigen Weihnachtsmann, der auf einem grünen Schlitten saß, der mit Geschenkpaketen beladen war. »Ich habe über diese ganze Geschichte mit den Nazis und der Kirche nachgedacht, über die Pius-Verschwörung, über diesen geheimnisvollen Archduke. Diese Generation wird bald verschwunden sein. Diese Männer sterben aus, das ist nun mal der Lauf der Dinge. Ist das alles heute denn wirklich noch so wichtig?«
»Nein. Wenn man von den Morden absieht. Wenn man davon absieht, daß der Keller von Indelicatos Villa angefüllt ist mit Kunstschätzen. Diese Geschichte ist noch lange nicht zu Ende.«
»Gut. Die Kirche wird davon profitieren. Die Nazis haben nicht überdauert. Aber die Kunst. Das ist ein Punkt für die Kirche.«
Soweit ich das beurteilen konnte, war er auf dem Weg in eine Sackgasse, die genau von dem wegführte, worauf es wirklich ankam. »Hör mal, Dad, möchtest du denn nicht endlich auf die Gründe zu sprechen kommen, die zu Vals Ermordung geführt haben? Bin ich nicht allein deshalb hierhergekommen?«
»Ich dachte, du wärst gekommen, um zusammen mit deinem Vater die Weihnachtsfeiertage zu verbringen …«
»Val hat alles gewußt, fast jede Einzelheit …«
»Nein, nein, ich glaube nicht, daß wir jetzt über diese Sache reden sollten, Ben.«
»Moment mal, einen kleinen Augenblick.« Ich befestigte eine weitere winzige weihnachtliche Verzierung an einem Zweig und stieg von dem Hocker, auf dem ich gestanden hatte. Vater warf Lametta über die Zweige. »Wir reden über Val. Willst du denn nicht wissen, warum Horstmann ihr den ganzen Weg bis nach Princeton gefolgt ist? Warum er sie ermordet hat? Wer den Befehl dazu gegeben hat? Interessiert es dich nicht, warum er Lockhardt, Heffernan und deine Tochter töten mußte?«
»Ben …«
»Weil Indelicato und Archduke sie gefürchtet haben. Weil sie Angst vor dem hatten, was Val herausgefunden hatte, weil sie Angst hatten, Val könnte dir oder mir oder Lockhardt etwas darüber erzählen … darum hat man versucht, auch mich zu ermorden, wobei man Sandanato dazu benutzt hat, mich in die Falle zu locken. Denn Val hätte mir die Geschichte ja schon erzählt haben können, bevor Horstmann sie ermordet hat. Man hätte auch dich töten lassen, aber dann hast du ja den Infarkt bekommen, und darum haben die anderen sich entschlossen, abzuwarten, ob du dich davon erholst und was mit dir geschieht … Doch seit ich in Irland gewesen bin, hat man keinen Versuch mehr unternommen, mich zu beseitigen, und vielleicht ist die Entscheidung, mich am Leben zu lassen, sogar schon früher gefallen. Vielleicht hat Horstmann den Befehl erhalten, mich nach dem gescheiterten Mordversuch in Princeton in Ruhe zu lassen. Aber warum? Warum? Ich wollte, ich wüßte die Antwort. Ich wollte, ich wüßte, wie tief Archduke in die ganze Sache verwickelt ist. Indelicato und Archduke haben sich entschlossen, sämtliche Menschen ermorden zu lassen, die ihnen gefährlich werden konnten, aber ich bin verschont worden! Warum?«
Mein Vater schenkte zwei Whiskys ein, gab Eiswürfel dazu und reichte mir einen. »Tod unseren Feinden«, sagte er und stieß sein Glas gegen das meine, daß es leise klirrte.
Ich wartete darauf, daß er irgend etwas sagte, doch statt dessen ging er zum Baum hinüber und warf noch ein paar glitzernde Lamettastreifen über die Zweige.
»Hast du dir eigentlich nie die Frage gestellt, warum Val sich nach Father Governeau erkundigt hat?« Ich mußte deutlicher werden, ihn aufrütteln, ihn zu Antworten zwingen. »Ist dir das nicht von Anfang an seltsam vorgekommen? Am letzten Tag ihres Lebens stellt sie Fragen über den Mord an Father Governeau -denn es war Mord. Du brauchst es gar nicht erst zu bestreiten, es steht völlig außer Zweifel. Ich konnte einfach keine Verbindung erkennen – der Grund für ihre Heimreise waren ihre Entdeckungen über die Machenschaften des Vatikans in der Vergangenheit und der Gegenwart … aber was tat sie, als sie hierher kam? Sie stellte Fragen nach Father Governeau. Es muß eine Verbindung geben. Val hat niemals dumm und grundlos gehandelt. Es hat ziemlich lange gedauert, aber ich habe diese Verbindung herausgefunden, zumindest teilweise …«
»Hast du das? Du mußt sehr klug sein, Ben. Der Teufel soll mich holen, wenn ich weiß, was du da eigentlich redest. Warum trinkst du nicht endlich deinen Scotch und schmückst den Baum weiter?« Er hatte sich gegen den Kaminsims
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