Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Assassini

Assassini

Titel: Assassini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
Vom Netzwerk:
das gleiche Leiden. Ich habe das meine geheilt, er hat das seine geheilt. Reine Willenssache. Ein Grund so gut wie jeder andere, daß er mein Lieblingsautor ist. Ihr Vater mochte Willie. Die beiden haben Spionagegeschichten ausgetauscht. Aus zwei verschiedenen Kriegen natürlich. Was gibt’s Neues über Ihren Vater zu berichten, Ben?«
    »Er versucht, sich seinen Kummer und Schmerz nicht anmerken zu lassen. Er wird es schaffen, Drew. War ein ziemlicher Schock.«
    »Ihren Vater kann so leicht nichts schockieren.«
    »Ich habe das auf mich bezogen. Ich war schockiert. Ich bin sehr leicht zu schockieren.«
    »Sie und Ihr Vater …«, begann er nachdenklich, hielt dann aber inne und verzichtete auf die mir altbekannte Phrase. Er war der Meinung, mein Vater und ich wären uns, trotz allem, ähnlicher, als wir einander einzugestehen wagten. Das jedenfalls hatte Drew in der Vergangenheit immer wieder behauptet.
    »Sie sind also leicht zu schockieren. Sie hören sich eher wie ein Mann an, der sich in falscher Bescheidenheit gefällt. Oder wie ein Mann, der mich hereinzulegen versucht, Sie Gauner.«
    »Wenn schon ein Gauner, dann bin ich allenfalls ein neugieriger Gauner. Ich habe Sie gesucht, Drew.«
    »Ich habe mich vor der Meute da draußen hierher zurückgezogen. Beerdigungen und der unvermeidliche Smalltalk am kalten Buffet sind mir ein Greuel – mir ist zu deutlich bewußt, daß ich eines gar nicht allzu fernen Tages selbst die Hauptattraktion bei einer derartigen Veranstaltung sein werde. Die arme kleine Val. Was für ein trauriger Tag heute …«
    »Gehörten Sie zu denjenigen, die Val unterstützt haben?«
    »Ich weiß zuviel, als daß ich irgend jemanden auf eine Weise unterstützen könnte, auf die Sie anspielen. Ich habe ihre Ansichten respektiert, habe ihr alles Glück der Welt gewünscht. Und … ja, gelegentlich habe ich finanzielle Mittel für ihre Arbeit aufgebracht.«
    »Haben Sie einen Verdacht, wer sie ermordet haben könnte, Drew?«
    »Zuerst müssen Sie das Warum herausfinden, Ben. Dann erst das Wer. «
    »Ich weiß. Das habe ich mir auch schon überlegt. Also: Warum hat jemand meine Schwester ermordet? Wegen ihrer kritischen Haltung der Kirche gegenüber?«
    »Das glaube ich nicht – nicht wegen ihrer philosophischen Überzeugungen, nicht einmal wegen der Versuche, ihre Vorstellungen in die Tat umzusetzen. Aber das ist meine ganz persönliche Meinung. Man müßte einen außerordentlich genauen Blick auf Vals Leben werfen … nach dem Warum suchen. Und wer gewissenhaft sucht, der wird es finden. Aber Sie haben während der letzten Tage gewiß schon intensiv genug über das alles nachgedacht. Sie betrachten die Dinge allerdings mit den Augen eines Anwalts, wie mir scheint. Aber Sie haben keine Wahl, nicht wahr? Beweise sammeln, den Fall rekonstruieren – den Elefanten neu errichten.« Er sah das Unverständnis auf meinem Gesicht. »Sie wissen nicht, was Rodin geantwortet hat, als man ihn fragte, wie er einen Elefanten bildhauern würde? Er sagte, er würde mit einem sehr großen Steinblock beginnen und alles wegmeißeln, was nicht zu einem Elefanten gehört. Tja, Sie stehen gewissermaßen auf einem Boden, auf dem die weggemeißelten Bruchstücke verstreut liegen, aus denen Vals Leben bestanden hat. Fügen Sie sie zusammen, und Sie werden die Umrisse eines Mörders sehen. Val wird das nicht zum Leben erwecken, aber Sie werden herausfinden, wer der Mörder ist.« Er wandte sich um und schob das Buch ins Regal zurück.
    »Ich möchte mehr über Curtis Lockhardt erfahren. Und über Heffernan. Der Tod dieser beiden Männer steht in irgendeinem Zusammenhang mit Vals Ermordung. Val hatte erwogen, aus dem Orden auszutreten und Lockhardt zu heiraten, und Lockhardt und Heffernan wiederum …«
    »Heffernan spielt keine Rolle, Ben. Er wurde wegen Lockhardt getötet. Er war genau das, als was er sich gern selbst zu bezeichnen pflegte – nur einer von vielen irischen, profitgierigen, karrieresüchtigen Priestern. Holen Sie mir meinen Mantel, Ben. Lassen Sie uns einen Spaziergang machen. Lassen Sie uns über den verblichenen Mister Lockhardt reden.«
    Er trug einen weichen Homburg, einen schwarzen Schal aus Kaschmirwolle, schwarze Handschuhe und einen schwarzen, in den Schultern breit geschnittenen Chesterfield-Mantel. Die Bügelfalten seiner Hose waren so scharf, daß er einem Mann damit die Kehle hätte durchschneiden können. Sein schmales Gesicht war vom Wind gerötet, der braune Blätter über den gefrorenen

Weitere Kostenlose Bücher