Assassini
oder?«
Darauf ging ich gar nicht erst ein. Logische Überlegungen waren so ziemlich das letzte, womit ich mich jetzt befassen wollte. »Was halten Sie von Dunns Theorie? Daß ein Priester der Mörder ist?«
»Ich muß gestehen, ich weiß nicht, wozu ihr Amerikaner wirklich fähig seid. Aber immer sind es Feuerwaffen, Schießereien, Mord. Ja, ja, vielleicht war es ein verrückter Priester.« Der Gedanke schien ihm nicht sonderlich zu gefallen. Verständlich.
»Es war kein verrückter Priester«, sagte ich. »Irgend etwas Schreckliches spielt sich innerhalb der Kirche ab. Ein Geschwür ist aufgeplatzt und hat drei Menschen getötet – die Kirche ist in Schwierigkeiten, und irgend jemand versucht, das Problem mit einer Waffe zu lösen.« Ich entschloß mich, meiner Neugierde freien Lauf zu lassen. Elizabeth hatte gesagt, daß Sandanato entweder ein technokratischer Vatikan-Insider oder ein durchgeistigter Mönch sei. Mein Verdacht ging dahin, daß er beides war. Sie hatte ihn außerdem als D’Ambrizzis Gewissen bezeichnet. »Also, was spielt sich innerhalb der Kirche ab? Ein Mann in Ihrer Position müßte es doch wissen. Der Papst liegt angeblich im Sterben … und hier sind erst vor ein paar Tagen drei Morde verübt worden. Gibt es da irgendeine Verbindung? Zerfleischt die Kirche sich selbst? Ist es eine Art Bürgerkrieg?«
»Die Kirche hat sich schon immer selbst zerfleischt.« Er hielt eine Gauloise in seinen nikotingelben Fingern. Eine Strähne seines schwarzen Haares war ihm in die Stirn gefallen, und er strich sie fahrig zurück. Wie alt mochte er sein? Fünfunddreißig? Vierzig? Ich fragte mich, wie lange er ein solches Leben durchhalten würde. Er machte auf mich den Eindruck eines Mannes, der sich selbst verzehrte. Elizabeth hatte gesagt, daß Val Sandanato für einen religiösen Fanatiker gehalten hatte, sogar für einen Verrückten. Das erschien mir unwahrscheinlich: Val hatte damit zweifellos nur in ihrer manchmal etwas übertriebenen Ausdrucksweise darauf angespielt, daß er nicht mit ihr übereingestimmt hatte, was ihre Ansichten über die Kirche betraf. Ich fragte mich, was er wirklich über meine Schwester dachte, als er über sie zu reden begann.
»Ihre Schwester ist ein typisches Beispiel«, sagte er. »Niemand konnte die Aufrichtigkeit ihres Glaubens und ihrer Überzeugungen in Frage stellen, obwohl viele ihre Vernunft anzweifelten. Sie war zu einem unberechenbaren Faktor geworden. Die Publicity, die Bücher … sie war von Natur aus jene Art Mensch, der am Gebäude der Kirche rüttelt und zerrt. Sie war von dem Gedanken besessen, die Kirche zu verändern.«
»Ich nehme an, auch Sie haben ihre Vernunft angezweifelt.«
»Ihre Schwester und ich haben die Kirche mit verschiedenen Augen betrachtet. Ich bin von der Arbeit der Kirche fasziniert, von den Lehrgebäuden und Formen des Glaubens, von der Kirche als solche, so wie sie war und schon immer gewesen ist. Ihre Schwester war im Herzen zuallererst ein Humanist, erst an zweiter Stelle ein Katholik. Ich weiß, daß die Kirche gewissermaßen eine geschlossene Gesellschaft ist. Ihre Schwester hingegen glaubte, daß die grundsätzlichen Positionen der Kirche auf demokratische Art und Weise verändert werden könnten oder müßten. Mein Anliegen galt immer der menschlichen Seele und der Frage, was die Kirche zu ihrer Errettung tun kann. Ihre Schwester jedoch betrachtete die Kirche als eine Art riesige Wohlfahrtseinrichtung, dazu bestimmt, sich um das irdische Heil ihrer Kinder zu kümmern.«
»Sie aber glauben, daß jedem Menschen das selbst überlassen ist?«
»Auch der Macht der Kirche sind Grenzen gesetzt«, sagte er lächelnd und weigerte sich, nach dem Köder zu schnappen, »und vorrangig muß sie sich mit den Fragen des Seelenheils und der Ordnung der göttlichen Dinge beschäftigen. Das ist schließlich der eigentliche Grund für die Existenz der Kirche, nicht wahr? Die Regierungen sind dazu da, sich um die Lebensbedingungen ihrer Staatsbürger zu kümmern. Nicht die Kirche. Vor allem nicht in einem Maße, daß sie sich in solche Betätigungen derart verwickelt, daß sie ihre Rolle als moralische Führungsinstanz schwächt. Die Kirche ist nicht für das Jetzt bestimmt. Sie ist für das Immer bestimmt. Heutzutage neigen die Menschen dazu, dies allzu schnell zu vergessen; sie wollen ein besseres Leben, sie wollen Mitsprache … Man wendet sich mit einem Gebet an Gott, nicht mit einem Stimmrecht. Um ein Stimmrecht geltend zu machen, gibt es
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