Assassini
einen Stuhl legte und hinüber zum Kamin ging, um sich die Hände zu wärmen. Ich sagte ihm, er sähe ein wenig angegriffen aus, was in Anbetracht meiner Stimmung eine höchst lächerliche Bemerkung war. Er nickte nur und ließ sich in einen Sessel fallen. Auf sein dunkles, gehetztes Gesicht legte sich ein trübseliges Lächeln.
»Klammer«, sagte er, »ist in der Tat ein anstrengender Mensch. Ich weiß gar nicht, wie Father Dunn das aushält. Es ist schon schwierig, mit diesem Mann überhaupt ein Gespräch zu führen. Keine seiner Bemerkungen hat irgendeinen logischen Bezug zur vorherigen. Ich bin müde. Und mir ist kalt. Mir ist kalt, seit ich hierher in die Staaten gekommen bin. Klammer hat mich zu einem Spaziergang überredet. Fifth Avenue, Rockefeller Center, die Schlittschuhläufer. Wunderschön. Aber kalt.« Er fröstelte und rückte näher zum Kamin. »Sie machen auch nicht gerade den glücklichsten Eindruck.«
»Ein mieser Tag«, sagte ich. Ich brauchte einen Freund, einen Kumpel. Zum erstenmal fühlte ich mich in Sandanatos Gesellschaft wohl, und das überraschte mich. Bei Dunn war das einfach; seine ganze Persönlichkeit machte es einem leicht, ermunterte beinahe dazu. Doch die Aura der inneren Spannung, der Unrast, die Sandanato umgab, hatte mich bisher eine gewisse Distanz zu ihm wahren lassen. Aber jetzt- ich wußte es selbst nicht, vielleicht war es auch auf die Tatsache zurückzuführen, daß ich den Nachmittag über in den Kategorien eines Katholiken gedacht hatte.
»Wo ist Schwester Elizabeth? Ich hatte mich schon den ganzen Tag auf eine gemütliche Cocktailstunde mit Ihnen und ihr gefreut, nur wir drei.« Ich mußte daran denken, was ich Elizabeth gesagt hatte, und fragte mich erneut, ob Sandanato sie liebte.
»Sie ist abgereist.« Ich sah, wie sein Lächeln schwand. »Dunn hat sie zum Kennedy Airport gebracht. Sie ist schon auf dem Weg nach Rom.«
»Ah. Sie muß wieder an die Arbeit, natürlich. Die Tyrannei ihres Terminkalenders.«
»Sie hat mir diesen Tag vermiest.«
»Ach, wirklich? Ich dachte, Sie beide sind gute Freunde?«
»Tja, ich vermute, diese Freundschaft hat heute ihr Ende gefunden.« Er war neugierig, und ich wollte mit jemandem reden, also erzählte ich ihm, was zwischen Elizabeth und mir vorgefallen war, wie sie auf meine Entschlossenheit reagiert hatte, den Grund für Vals Ermordung herauszufinden. Er hörte mir geduldig zu, verständnisvoll. Als ich schließlich endete und schweigend in die Flammen starrte, ließ er sich Zeit mit einer Erwiderung. Er schenkte zwei Gläser Scotch mit Soda ein, kam zu mir herüber und blieb nachdenklich vor dem Gemälde meines Vaters stehen.
»Frauen.« Er seufzte. »Sie sehen die Dinge anders, nicht wahr? Wir sind die Rächer, sie die Heilenden. Es ist so, wie es sein sollte. Schwester Elizabeth möchte, daß das Leben weitergeht, wie man so schön sagt. Sie betrachtet den Tod ihrer Schwester als einen schrecklichen Irrtum, über den man nicht länger nachgrübeln sollte, weil es sinnlos ist. Trauer, keine Rache. Sie verstehen? Aber ein Mann, ja, er muß etwas tun, wenn seine Schwester ermordet wird … Ich bin Italiener, ich weiß, wie Sie fühlen … aber, aber, aber …«
»Aber was?«
»Schwester Elizabeth hat die Vernunft auf ihrer Seite.« Er zuckte resigniert die Achseln. »Sie müssen das doch einsehen. Man könnte Sie töten, das ist offensichtlich.«
»Man? Wer ist man?«
»Wer weiß? Ich halte es für möglich, daß wir das niemals erfahren.«
»Sie irren sich. Ich werde es herausfinden.«
»Sie sind Ihrer Schwester sehr ähnlich. Ich kann Schwester Valentine sehen, wenn ich Sie anschaue, mein Freund. Ich kann sie hören, wenn Sie sprechen. Und wie Ihre Schwester sind Sie sowohl im Unrecht als auch furchtlos. Das ist eine gefährliche Verbindung. Ihre Schwester war wie ein Faß Dynamit, an dem bereits die Lunte brannte. Dieser Vergleich trifft auch auf Sie zu.«
»Sie würden an meiner Stelle das gleiche empfinden.«
»Ja, und Sie würden mir an meiner Stelle ebenfalls sagen, daß ich keine Chance habe. Ihre Gefühle töten Sie, mein Freund. Denken Sie daran – die anderen kennen Sie, nicht Sie die anderen. Das ist doch das einzige, was wirklich zählt, nicht wahr?«
»Nein. Mein Leid ist größer, mein Wille stärker, und meine Motive sind gerechter als die der … anderen.«
»Ach. Woher wollen Sie das wissen? Sie kennen doch ihre Ziele nicht, Sie wissen nicht, um welche Einsätze die anderen spielen,
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