Assassin's Creed Bd. 5 - Forsaken - Verlassen
Logik leiten, nicht von Emotionen.
Reginald störte die Stille, in der nur leise der Wind säuselte und ein paar Vögel sangen. „Hättet Ihr es getan?“
„Was getan, Reginald?“
Ich wusste, was er meinte. Er wollte wissen, ob ich das Kind getötet hätte.
„Den Jungen. Hättet Ihr ihn getötet?“
„Es hat wenig Sinn, eine Drohung zu äußern, wenn man nicht bereit ist, sie wahr zu machen. Der Ladenbesitzer hätte es gemerkt, wenn ich ihm etwas vorgespielt hätte. Er hätte es in meinen Augen gesehen. Er hätte es gewusst.“
Reginald rutschte unbehaglich in seinem Sattel hin und her. „Das heißt also, ja ? Ja, Ihr hättet ihn getötet?“
„Das ist richtig, Reginald, ich hätte ihn getötet.“
Schweigen trat ein. Ich suchte das nächste Quadrat ab und ließ den Blick dann weiterwandern.
„Seit wann ist das Töten von Unschuldigen Teil Eurer Lehren, Haytham?“, fragte Reginald.
Ich schnaubte abfällig. „Ihr mögt mir das Töten zwar beigebracht haben, Reginald, aber das gibt Euch nicht das Recht zu entscheiden, wen ich zu welchem Zweck töte.“
„Ich habe Euch Ehre gelehrt. Ich habe Euch einen Kodex gelehrt.“
„Ich erinnere mich, wie Ihr, Reginald, vor all den Jahren vor White’s Chocolate House im Begriff wart, Eure Form von Gerechtigkeit walten zu lassen. War das ehrenhaft?“
Errötete er ein wenig? Auf jeden Fall rutschte er wieder unbehaglich auf dem Rücken seines Pferdes herum. „Der Mann damals war ein Dieb“, sagte er.
„Die Männer, die ich suche, sind Mörder, Reginald.“
„Trotzdem“, erwiderte er mit einer Spur von Verärgerung. „Vielleicht trübt Euer Eifer Euch das Urteilsvermögen.“
Ich schnaubte abermals verächtlich. „Das sagt ausgerechnet Ihr? Entspricht Eure Faszination von jenen, die vorher kamen, denn so ganz der Templerpolitik?“
„Natürlich.“
„Wirklich? Seid Ihr sicher, dass Ihr darüber Eure anderen Pflichten nicht vernachlässigt habt? Was habt Ihr in letzter Zeit denn gelesen, studiert und geschrieben, Reginald?“
„Sehr viel“, entrüstete er sich.
„Ich meine Dinge, die nichts mit jenen, die vorher kamen, zu tun hatten“, ergänzte ich.
Er wurde für einen Moment aufbrausend und klang wie ein rotgesichtiger, fetter Mann, dem man das falsche Fleisch serviert hatte. „Ich bin jetzt hier bei Euch, oder nicht?“
„Das seid Ihr, Reginald“, erwiderte ich, und im selben Augenblick entdeckte ich eine kleine Rauchwolke, die aus dem Wald aufstieg. „Ich sehe Rauch über den Bäumen, möglicherweise von einer Hütte. Lasst uns nachschauen.“
Zugleich regte sich etwas in einem kleinen Tannenhain nicht weit entfernt, und ich sah einen Mann davonreiten, an der Flanke des entferntesten Hügels hinauf und fort von uns.
„Seht, Reginald, da! Seht ihr ihn?“
Ich stellte das Fernglas schärfer. Der Reiter kehrte uns natürlich den Rücken zu und befand sich in einiger Entfernung, aber ich glaubte, seine Ohren zu sehen. Und ich war sicher, dass er spitz zulaufende Ohren hatte.
„Ich sehe einen Mann, Haytham, aber wo ist der andere?“, sagte Reginald.
Ich nahm bereits die Zügel meines Pferdes auf, während ich antwortete: „Noch in der Hütte, Reginald. Kommt!“
III
Es mochten zwanzig Minuten vergangen sein, ehe wir unser Ziel erreichten. Zwanzig Minuten, in denen ich mein Pferd bis an seine Grenzen ritt, es in riskanten Manövern zwischen Bäumen hindurchtrieb und über vom Sturm gefällte Stämme hinwegsetzen ließ. Reginald blieb immer weiter zurück, während ich auf die Stelle zupreschte, wo ich den Rauch gesehen hatte – zu der Hütte, wo ich, davon war ich überzeugt, Digweed finden würde.
Lebend? Tot? Das wusste ich nicht. Aber der Ladenbesitzer hatte gesagt, es hätten zwei Männer nach ihm gefragt, und wir hatten nur einen von ihnen gesehen, daher war ich neugierig, wo der andere stecken mochte. War er schon vorausgeritten?
Oder hielt er sich noch in der Hütte auf?
Da war sie. Die Hütte stand mitten auf einer Lichtung. Ein gedrungener Holzbau mit einem einzigen Fenster. Aus dem Kamin stiegen Rauchschwaden auf. Vor der Hütte war ein Pferd angebunden. Die Tür stand offen. Weit offen. In dem Moment, da ich auf die Lichtung hinaus ritt, hörte ich aus der Hütte einen Schrei. Ich trieb mein Tier zur Tür und zog mein Schwert. Die Hufe klapperten laut auf den Brettern vor der Hütte, und ich lehnte mich im Sattel nach vorn, um sehen zu können, was drinnen vorging.
Digweed war an einen Stuhl gefesselt, die
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