Assassin's Creed: Der geheime Kreuzzug (German Edition)
Er war dahin.
„Was immer die Templer mit Euch gemacht haben, sie haben Euch unrecht getan“, sagte er. „Verzeiht mir.“
Es war ein Akt der Gnade. Er tötete sie, dann floh er von diesem schrecklichen Ort.
Als er später wieder im Unterschlupf war, schlug er sein Tagebuch auf und schrieb: Warum beharren unsere Triebe und Instinkte auf Gewalt? Ich habe den Umgang verschiedener Spezies miteinander studiert. Der angeborene Überlebenswille scheint den Tod der anderen Art zu verlangen. Warum können nicht alle Hand in Hand miteinander gehen? So viele Menschen glauben, die Welt sei durch das Wirken einer göttlichen Macht entstanden – aber ich sehe nur die Entwürfe eines Wahnsinnigen, der darauf aus ist, Tod, Zerstörung und Verzweiflung hochleben zu lassen.
Auch über den Apfel sann er nach: Wer waren diejenigen, die vor uns kamen? Was führte sie hierher? Was vertrieb sie wieder? Worum handelt es sich bei diesen Artefakten? Ist jedes davon eine verborgene Nachricht, eine Flaschenpost aus einer anderen Zeit? Sind es Werkzeuge, die zurückgelassen wurden, auf dass sie uns helfen und uns führen? Oder kämpfen wir nur um die Herrschaft über sie und gegen ihre Weigerung, sich uns zu offenbaren? Oder dichten wir am Ende Dingen Zweck und Bedeutung an, die in Wahrheit nichts weiter sind als liegen gelassene Spielsachen?
44
Altaïr beschloss, Shalim zu folgen. Sie waren nun beide auf der Jagd nach Maria, und Altaïr wollte sichergehen, dass er zur Stelle war, sollte Shalim sie als Erster finden.
Wobei sich Shalim bei seiner Suche im Moment allerdings nicht sonderlich viel Mühe gab. Von Markos wusste Altaïr, dass Shalim mit seinem Vater nicht viel gemeinsam hatte, abgesehen davon, dass er den Templern diente und zu Wutausbrüchen neigte. Er war allerdings kein religiöser Eiferer, sondern ließ sich lieber den Wein schmecken oder vergnügte sich in der Gesellschaft von Huren. Während er ihm folgte, fand Altaïr beide Angaben bestätigt. Er hielt stets sicheren Abstand zu Shalim, während dieser mit zwei Leibwächtern wie ein Trio kleiner Despoten durch die Straßen von Kyrenia stolzierte und an Bürgern und Händlern herumnörgelte, sie misshandelte und ihnen Waren und Geld abnahm, um dann einen anderen Ort aufzusuchen.
Ein Bordell, wie es schien. Altaïr sah, wie Shalim und seine Männer auf eine Tür zugingen, wo ein Betrunkener eine der Prostituierten betatschte. Der Mann war entweder zu dumm oder zu besoffen, um zu merken, dass Shalim übel gelaunt war, denn er grüßte den Tyrannen mit erhobener Flasche und rief: „Kommt, lasst uns trinken, Shalim.“
Shalim wurde nicht einmal langsamer. Er rammte dem Betrunkenen die flache Hand ins Gesicht, sodass dessen Kopf hinter ihm mit einem dumpfen Laut gegen die Wand schlug. Die Flasche fiel zu Boden, der Mann rutschte an der Mauer entlang nach unten, bis er an deren Fuß zu sitzen kam. Sein Kopf kippte nach vorn, Blut tränkte sein Haar. Noch in derselben Bewegung packte Shalim die Hure am Arm.
Sie wehrte sich. „Shalim, nein, bitte nicht.“
Aber er zerrte sie schon davon, während er seinen beiden Begleitern über die Schulter hinweg zurief: „Amüsiert euch, Männer. Und treibt ein paar Weiber für mich auf, wenn ihr fertig seid.“
Altaïr hatte genug gesehen. Shalim suchte nicht nach Maria, soviel stand fest. Und er selbst würde sie nicht finden, wenn er Shalim und seiner Hure folgte; die beiden würden entweder im Bett oder in einer Taverne verschwinden, daran gab es keinen Zweifel.
Stattdessen kehrte Altaïr ins Marktviertel zurück, wo Markos ziellos zwischen den Ständen umherging, die Hände auf dem Rücken verschränkt, und auf Neuigkeiten von Altaïr wartete.
„Ich muss näher an Shalim herankommen“, erklärte Altaïr, als sie sich in den Schatten zurückgezogen hatten und den Eindruck zweier Händler erweckten, die sich die Zeit abseits der heißen Sonne vertrieben. „Wenn seine Dummheit seiner Aufdringlichkeit nicht nachsteht, kann ich ihm vielleicht ein paar Geheimnisse entlocken.“
„Sprecht mit einem der Mönche in der Nähe der Kathedrale.“ Markos lachte leise. „Shalims ungezügelte Lebensart verlangt nach regelmäßigen Beichten.“
So setzte sich Altaïr unweit der Kathedrale unter einem flatternden Baldachin auf eine Bank und schaute dem Treiben ringsum zu, bis ein einzelner Mönch in einer weißen Kutte vorbeikam und grüßend den Kopf neigte. Altaïr erwiderte die Geste, dann sagte er mit so leiser Stimme, dass nur
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