Assassin's Creed: Der geheime Kreuzzug (German Edition)
heraushängenden Eingeweide fraßen. Und Bayhas stehe lachend daneben.
Mukhlis trug seine Eingeweide gern im Leib. Und er hatte auch kein Verlangen danach, seinen Besitz Räubern zu überlassen. Das Leben in Masyaf war schließlich hart, und es wurde zunehmend härter. Die Dorfbewohner mussten immer höhere Abgaben an die Burg im Vorgebirge zahlen; die Kosten zum Schutz des Dorfes würden steigen, sagte man ihnen. Der Meister war unerbittlich, wenn es ums Steuereintreiben ging, und er schickte oft Gruppen von Assassinen herunter, um die Leute zum Zahlen zu zwingen. Wer sich weigerte, wurde geschlagen und dann zum Tor hinausgeworfen, wo er seiner Wege gehen musste und nur hoffen konnte, entweder in einer anderen Siedlung Aufnahme zu finden oder sich einer der Räuberbanden anschließen zu dürfen, die sich in der felsigen Ebene rings um Masyaf niedergelassen hatten und deren Überfälle auf Reisende immer dreister wurden. Früher hatten die Assassinen dafür gesorgt, dass die Reiserouten sicher waren; ihre bloße Präsenz hatte dazu genügt. Aber dem schien nicht mehr so zu sein.
Wenn Mukhlis also ohne Geld nach Hause käme und weder den Zehnten, den Abbas von den Händlern des Dorfes verlangte, noch die Abgaben, die er von allen Einwohnern verlangte, bezahlen konnte, würde man sie aus dem Dorf werfen, ihn und seine Familie, seine Frau Aalia und seine Tochter Nada.
Über all das dachte er nach, als er sich dem Wasserloch näherte, noch immer nicht sicher, ob er anhalten sollte oder nicht.
Ein Pferd stand unter einem großen Feigenbaum, dessen Geäst sich über dem Wasserloch ausbreitete und einladenden Schatten und Schutz bot. Das Pferd war nicht angebunden, aber die Decke auf seinem Rücken bewies, dass es jemandem gehörte, wahrscheinlich einem anderen Reisenden, der haltgemacht hatte, um zu trinken und seine Feldflaschen zu füllen, vielleicht auch, um sich, wie Mukhlis, hinzulegen und auszuruhen. Trotzdem war Mukhlis nervös. Sein Pferd witterte das nahe Wasser und schnaubte erwartungsfroh, sodass er es zügeln musste, damit es nicht schnurstracks auf die Quelle zutrottete, wo er eine Gestalt sah, die im Schlaf zusammengerollt dalag. Der Mann schlief mit dem Kopf auf seinem Gepäcksack, hatte sich in sein Gewand gewickelt, die Kapuze über den Kopf gezogen und die Arme vor der Brust gekreuzt. Von seinem Gesicht war kaum etwas zu erkennen, doch Mukhlis sah braune, wettergegerbte Haut, faltig und zernarbt. Es war ein alter Mann, Ende siebzig oder Anfang achtzig. Fasziniert musterte Mukhlis das Gesicht des Schlafenden – bis dessen Augen aufsprangen.
Mukhlis zuckte ein wenig zurück, gleichermaßen überrascht wie verängstigt. Die Augen des alten Mannes blickten scharf und aufmerksam. Er blieb völlig reglos liegen, und Mukhlis erkannte, dass der Fremde, obschon er, Mukhlis, viel jünger war, sich nicht im Mindesten vor ihm fürchtete.
„Verzeiht mir, falls ich Euch gestört habe“, sagte Mukhlis mit geneigtem Kopf. Seine Stimme zitterte ein wenig. Der Fremde sagte nichts, sah nur zu, wie Mukhlis abstieg, dann sein Pferd zur Quelle führte und den Ledereimer heraufzog, damit sie trinken konnten. Für eine Weile war nur zu hören, wie der Eimer beim Heraufholen leise gegen die Wand des Brunnenschachts schlug, dann das Schlürfen, mit dem das Pferd trank. Mukhlis trank ebenfalls, erst in kleinen, dann in großen Schlucken, und schließlich wusch er sich Bart und Gesicht. Er füllte seine Feldflaschen, tränkte das zweite Pferd und leinte beide an. Als er zu dem Fremden hinsah, war der wieder eingeschlafen. Nur die Arme hielt er jetzt nicht mehr überkreuzt. Stattdessen ruhten sie neben seinem Kopf auf dem Gepäcksack, den er als Kissen benutzte. Mukhlis nahm eine Decke aus seinem Gepäck, suchte sich ein Plätzchen auf der anderen Seite der Quelle und legte sich zum Schlafen nieder.
Wie viel Zeit war vergangen, als er eine Bewegung hörte, verschlafen die Augen öffnete und eine Gestalt über sich aufragen sah? Eine Gestalt, die von den ersten Strahlen der Morgensonne getroffen wurde. Ihr schwarzes Haar und ihr Bart wucherten wild und waren ungekämmt, in ihrem Ohr steckte ein goldener Ring, und auf ihrem Gesicht lag ein böses Grinsen. Mukhlis versuchte, auf die Füße zu kommen, aber der Mann ließ sich in die Hocke nieder, ein glänzender Dolch fuhr Mukhlis an die Kehle, woraufhin er vor Angst erstarrte und ihm nur ein Wimmern von den Lippen floh.
„Ich bin Bayhas“, sagte der Mann unverändert
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