Assassin's Creed: Der geheime Kreuzzug (German Edition)
sich. Er schaute sich auf dem Hof um und sah sowohl das Schöne als auch das Hässliche daran. Dann vernahm er sich nähernde Schritte und verschwand, erst über die Dächer, dann in den Straßen. Verschmolz mit der Stadt. Bis er nichts weiter war als eine Klinge in der Menge …
„Ich habe eine Frage an dich “, sagte Al Mualim, als sie sich das nächste Mal trafen. Er hatte Altaïr seinen früheren Rang zurückgegeben, er war nun wieder ein Meister-Assassine. Dennoch schien es, als wolle sich sein Mentor vergewissern, ob Altaïr seine Lektion gelernt hatte.
„Was ist die Wahrheit?“, fragte er.
„Wir setzen Vertrauen in uns“, antwortete Altaïr. Er begrüßte die Gelegenheit, seinem Mentor beweisen zu dürfen, dass er sich geändert hatte. Dass Al Mualims Entscheidung, Gnade walten zu lassen, richtig gewesen war. „Wir sehen die Welt, wie sie wirklich ist. Und hoffen, dass eines Tages die ganze Menschheit dasselbe erkennen wird.“
„Was ist die Welt dann also?“
„Eine Illusion“, erwiderte Altaïr. „Ein Trugbild, dem wir uns entweder ergeben können, wie es die meisten tun, oder wir transzendieren.“
„Und was bedeutet das … transzendieren ?“
„Zu erkennen, dass Gesetze sich nicht aus Göttlichkeit, sondern aus Vernunft ergeben. Ich habe nun begriffen, dass unser Credo uns nicht befiehlt, frei zu sein.“ Und plötzlich begriff er es wirklich. „Es befiehlt uns, weise zu sein.“
Zwar hatte Altaïr auch bisher schon an das Credo geglaubt, jedoch ohne dessen wahre Bedeutung zu erkennen. Es war ein Aufruf, die Dinge zu hinterfragen und alles Streben und Bemühen mit Überlegung, Wissen und Vernunft anzugehen.
Al Mualim nickte. „Verstehst du nun, warum die Templer eine Bedrohung darstellen?“
„Während wir die Illusion zerstreuen wollen, nutzen die Templer sie, um zu herrschen.“
„Ja. Um das Bild der Welt auf eine ihnen gefälligere Weise umzugestalten. Darum sandte ich dich aus, um ihren Schatz zu stehlen. Darum halte ich ihn unter Verschluss. Und darum tötest du sie. Solange auch nur einer von ihnen überlebt, so lange besteht auch ihr Verlangen nach der Schaffung einer neuen Weltordnung. Jetzt musst du dich auf die Suche nach Sibrand begeben. Sein Tod wird Robert de Sable endlich verletzlich machen.“
„So soll es geschehen.“
„Mögen Schutz und Friede mit dir sein, Altaïr.“
27
Altaïr unternahm eine, wie er hoffte, letzte Reise nach Akkon, die von Schlachten gezeichnete Stadt, über der eine nie weichende Wolke des Todes hing. Dort angekommen, stellte Altaïr seine Nachforschungen an, dann suchte er Jabal im Büro auf, um sich die Feder abzuholen. Als er Sibrands Namen erwähnte, nickte der Rafiq verständig.
„Der Mann ist mir bekannt. Er ist der neu ernannte Führer der Deutschritter, residiert im venezianischen Viertel und leitet den Hafen von Akkon.“
„Ja. Das habe ich bereits herausgefunden – und mehr.“
Jabal hob beeindruckt die Augenbrauen. „Dann fahrt fort.“
Altaïr berichtete ihm, wie Sibrand in den Docks die Schiffe befehligt hatte, mittels derer er eine Blockade errichten wollte, allerdings nicht, um einen Angriff Salah Al’dins abzuwehren. Das war das Aufschlussreiche daran. Altaïrs Informationen zufolge wollte Sibrand verhindern, dass Richards Männer mit Nachschub versorgt wurden. Das ergab Sinn. Die Templer hintergingen ihre eigenen Leute. Altaïr glaubte, endlich klarzusehen, alles schien zusammenzupassen – das Geheimnis des gestohlenen Artefakts, die Identität der Bruderschaft, die seine Zielpersonen miteinander verband, und selbst ihr ultimatives Ziel.
Dennoch hatte er ein seltsames Gefühl, das er einfach nicht abschütteln konnte. Eine ungewisse Ahnung, die ihn selbst jetzt umgab wie der Nebeldunst des frühen Tages.
„Es heißt, Sibrand würde von Angst zerfressen und von dem Wissen in den Wahnsinn getrieben, dass sein Tod im Anmarsch sei. Er hat den Hafenbezirk abgeriegelt, und dort versteckt er sich nun und wartet auf das Eintreffen seines Schiffs.“
Jabal überlegte. „Das macht die Sache gefährlich. Ich frage mich, wie er von Eurer Mission erfahren hat.“
„Die Männer, die ich getötet habe, stehen alle miteinander in Verbindung. Al Mualim hat mich davor gewarnt, dass die Kunde von meinen Taten sich unter ihnen verbreitet hat.“
„Seid auf der Hut, Altaïr“, sagte Jabal, als er ihm die Feder reichte.
„Natürlich, Rafiq. Aber ich glaube, die Situation wird sich zu meinen Gunsten auswirken.
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