Assassin's Creed: Der geheime Kreuzzug (German Edition)
Entscheidung zu fällen. Musste er jetzt dafür bezahlen?
Aber der Hafen war nicht völlig verwaist. Altaïr hörte das Geräusch sich nähernder Schritte und einer gedämpften Unterhaltung. Er hob eine Hand. Sein Trupp, der ihm folgte, verhielt und wurde zu reglosen Schatten in der Dunkelheit. Er schlich an der Hafenmauer entlang, bis er die Näherkommenden sehen konnte. Erfreut nahm er zur Kenntnis, dass sie sich voneinander getrennt hatten. Der Erste stand nun fast direkt unter ihm, hielt seine Fackel in die Höhe und spähte in die dunklen Ecken und Nischen der feuchten Hafenmauer. Altaïr fragte sich, ob der Mann wohl gerade an zu Hause dachte, an England oder Frankreich, und die Familie, die dort auf ihn wartete, und er bedauerte es, dass der Mann sterben musste. Als er lautlos von der Mauer sprang, auf dem Mann landete und ihm die Klinge tief in den Leib stieß, wünschte er, es hätte eine andere Möglichkeit gegeben.
„Mon dieu“, seufzte der Wächter im Sterben. Altaïr erhob sich.
Ein Stück entfernt bewegte sich der zweite Soldat am feuchten Stein des Docks entlang, versuchte, die Schatten zu verjagen, und zuckte bei jedem Laut zusammen. Inzwischen begann er vor Angst sogar zu zittern. Eine Ratte, die vorbeihuschte, ließ ihn zusammenfahren. Rasch drehte er sich um und hob seine Fackel, sah jedoch nichts.
Er ging weiter, starrte angestrengt in die Düsternis und schaute hinter sich, wo sein Kamerad sein musste, aber … Oh Gott, wo war er? Gerade war er doch noch dort gewesen. Sie waren gemeinsam zum Dock gekommen. Jetzt war er nicht mehr zu sehen, keine Spur von ihm, kein Ton. Der Wächter zitterte noch heftiger. Er vernahm ein Wimmern und merkte erst dann, dass er selbst es ausgestoßen hatte. Dann erklang hinter ihm ein Geräusch, und er fuhr schnell herum, gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, dass ihm der Tod auf den Fersen war …
Einen Moment lang kniete Altaïr rittlings über dem toten Soldaten und lauschte, ob Verstärkung käme. Aber es rührte sich nichts. Dann erst stand er auf. Die anderen Assassinen schlossen zu ihm auf, ließen sich von der Mauer fallen und betraten den Hafen, wie Altaïr selbst in weiße Gewänder gekleidet, unter deren Kapuzen sie mit dunklen Augen hervorblickten. Fast lautlos schwärmten sie aus. Altaïr erteilte geflüsterte Befehle und bedeutete ihnen, sich leise und rasch durch den Hafen zu bewegen. Templerwachen eilten herbei. Sie nahmen sich ihrer im Handumdrehen an. Altaïr überließ den Kampf seinen Männern und erreichte eine Mauer. Sorge nagte in seinem Innern – er hatte den Angriff vom Zeitpunkt her schlecht geplant: Die Templer waren bereits im Abzug begriffen. Ein Wächter versuchte ihn aufzuhalten, fiel jedoch unter einem Streich von Altaïrs Klinge. Blut spritzte aus seinem aufgeschlitzten Hals. Der Assassine benutzte den Leichnam als Sprungbrett und kletterte zur Krone der Hafenmauer empor, wo er geduckt verhielt und den Blick erst über das sich daran anschließende Dock und dann hinaus auf die See wandern ließ.
Seine Befürchtungen bewahrheiteten sich. Er hatte zu lange gewartet. Dort draußen, auf dem Wasser des Mittelmeers, das vom letzten Licht der Sonne golden gefärbt wurde, befand sich eine kleine Flotte von Templerschiffen. Altaïr fluchte. Rasch drang er ins Zentrum der Docks vor. Von hinten hörte er nach wie vor Kampflärm. Seine Männer trafen auf die Verstärkung des Gegners. Die Evakuierung der Templer ging weiter, aber er hatte die Vermutung, dass der Grund ihres Verschwindens in der Festung zu finden sein könnte. Vorsichtig, rasch und leise machte er sich auf den Weg zur Feste, die düster über den Docks aufragte. Gnadenlos tötete er die wenigen Wachen, auf die er traf. Er wollte einerseits die Flucht des Feindes stören und andererseits herausfinden, welchem Zweck sie diente.
Drinnen schluckten die grauen Mauern das Geräusch seiner Schritte. Templer schienen keine mehr dort zu sein. Die Festung vermittelte bereits einen leeren und nicht mehr genutzten Eindruck. Er stieg steinerne Treppen hinauf und erreichte einen Balkon, wo er Stimmen hörte. Drei Personen führten ein hitziges Gespräch. Eine Stimme kam ihm besonders bekannt vor, als er hinter einem Pfeiler Stellung bezog, um zu lauschen. Er hatte sich gefragt, ob er diese Stimme je wieder hören würde. Er hatte es gehofft.
Es war die Frau von dem Friedhof in Jerusalem. Die tapfere Löwin, die de Sables Platz eingenommen hatte. Sie stand mit zwei anderen
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