Assassin's Creed: Die Bruderschaft (German Edition)
Tisch, der mit einem Strohsack gepolstert war. Von den Deckenbalken hingen in sortierten Bündeln viele verschiedene getrocknete Kräuter, die den Raum mit einem durchdringenden Geruch erfüllten. Auf Regalen schwammen in Gläsern und einer trüben Flüssigkeit sowohl unidentifizierbare als auch unaussprechliche Dinge und tote Lebewesen sowie Teile von ihnen.
Ezio befahl seinen Männern, draußen Wache zu halten. Er fragte sich, was Passanten wohl denken würden, wenn sie auf einen Haufen römischer Legionäre stießen. Wahrscheinlich würden sie glauben, Gespenster zu sehen, und Fersengeld geben. Er selbst hatte sein Pharisäer-Kostüm schon bei der ersten Gelegenheit ausgezogen.
„Wer seid Ihr?“, flüsterte Pietro. Besorgt sah Ezio, dass sich die Lippen des Schauspielers blau verfärbt hatten.
„Euer Retter“, antwortete er. Zum Arzt sagte er: „Er wurde vergiftet, Dottore Brunelleschi.“
Brunelleschi untersuchte den Schauspieler rasch und leuchtete ihm mit einem Licht in die Augen. „Seiner Blässe nach zu urteilen, hat man Cantarella benutzt. Das bevorzugte Gift unserer werten Herrschaft, der Borgia.“ Pietro wies er an: „Liegt still.“
„Ich bin so müde“, murmelte Pietro.
„Liegt still! Hat er sich übergeben?“, fragte Brunelleschi.
„Ja.“
„Gut.“ Der Arzt arbeitete schnell und mischte mit geübter Hand Flüssigkeiten aus verschiedenfarbigen Glasflaschen. Die Mixtur goss er dann in eine Phiole. Diese reichte er Pietro, während er ihm mit der anderen Hand den Kopf anhob.
„Trinkt das!“
„Beeilt Euch!“, drängte Ezio.
„Lasst ihm einen Moment Zeit!“
Ezio wartete gespannt, und nach einer Weile, die ihm wie eine Ewigkeit vorkam, setzte sich der Schauspieler auf.
„Ich glaube, es geht mir etwas besser“, sagte er.
„Miracolo!“, stieß Ezio erleichtert hervor.
„Mitnichten“, wehrte der Arzt ab. „Er kann nicht viel von dem Gift in sich gehabt haben, und ich muss gestehen, dass ich mit Cantarella-Opfern einige Erfahrung habe, sodass ich ein recht wirkungsvolles Gegenmittel entwickeln konnte. Und jetzt“, fuhr er fort, „werde ich ein paar Blutegel ansetzen. Das wird zu Eurer vollständigen Genesung führen. Ihr könnt Euch hier ausruhen, mein Junge, und dann werdet Ihr schon bald wieder ganz in Ordnung sein.“ Er trat erneut an eines der Regale und kam mit einem Glas zurück, in dem sich schwarzes Getier wand. Er schöpfte eine Handvoll heraus.
„Ich kann Euch gar nicht genug danken“, sagte Pietro zu Ezio. „Ich …“
„Ihr könnt mir durchaus genug danken“, erwiderte Ezio forsch. „Nämlich mit dem Schlüssel zu der kleinen Pforte, durch die Ihr zu Euren Stelldicheins mit Lucrezia in die Engelsburg geht. Gebt ihn mir, nun macht schon!“
Ein zweifelnder Ausdruck stahl sich auf Pietros Gesicht. „Wovon redet Ihr? Ich bin nur ein armer Schauspieler, ein Opfer widriger Umstände … ich …“
„Pietro!“ Ezio sah ihn scharf an. „Cesare weiß von Euch und Lucrezia.“
Jetzt trat Angst an die Stelle des Zweifels in seiner Miene. „Oh Gott!“
„Aber ich kann Euch helfen. Wenn Ihr mir den Schlüssel gebt.“
Schweigend griff Pietro unter seinen Lendenschurz und reichte Ezio den Schlüssel. „Ich habe ihn stets bei mir“, sagte er.
„Sehr klug von Euch“, entgegnete Ezio und steckte den Schlüssel ein. Es war ein beruhigendes Gefühl, ihn zu haben, denn er würde ihm Zugang in die Engelsburg gewähren, wann immer es nötig war.
„Meine Männer werden Eure Kleidung holen und Euch an einen sicheren Ort bringen. Ich werde zwei von ihnen anweisen, auf Euch achtzugeben. Taucht einfach für eine Weile unter!“
„Aber … mein Publikum!“, jammerte der Schauspieler.
„Das wird sich mit Longinus begnügen müssen, bis es für Euch wieder sicher ist, Euren Kopf über die Zinnen zu strecken“, grinste Ezio. „Aber macht Euch keine Sorgen. Er kann Euch nicht das Wasser reichen.“
„Oh, findet Ihr wirklich?“
„Absolut.“
„Autsch!“, entfuhr es Pietro, als ihm der Medicus den ersten Blutegel auf die Haut setzte.
Binnen eines Lidschlags war Ezio nach draußen geeilt. Dort erteilte er seinen Leuten die erforderlichen Befehle. „Zieht diese Kostüme aus, sobald Ihr könnt“, fügte er noch hinzu. „Die Trajansbäder sind nicht weit entfernt. Wenn Ihr Glück habt, liegt eure Straßenkleidung noch dort, wo ihr sie zurückgelassen habt.“
Er machte sich allein auf den Weg, war aber noch nicht weit gekommen, als ihm eine
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