Assassin's Creed: Die Bruderschaft (German Edition)
blass. „Ist das mein Lohn? Für all die Jahre treuer Dienste?“
„Geh mir aus den Augen, du Hund! Ich lasse dich fallen! Geh und such dir einen Rinnstein, in dem du verrecken kannst!“
Mit einem Wutschrei stürzte sich Micheletto auf Cesare, die riesigen Hände gekrümmt, um sie seinem früheren Herrn um den Hals zu legen. Aber dazu kam es nicht. Blitzschnell zog Cesare eine der beiden Pistolen, die in seinem Gürtel steckten, und drückte aus nächster Nähe ab.
Michelettos Gesicht wurde bis zur Unkenntlichkeit zerfetzt. Sein Körper schlug krachend auf den Tisch. Cesare sprang vom Stuhl hoch und nach hinten, damit er sich nicht mit Blut besudelte.
Ezio hatte sich zurückgezogen – um nicht gesehen zu werden, aber weiterhin alles hören zu können – und machte sich nun bereit, vom Dach zu springen und sich Cesare zu greifen, sobald dieser zur Eingangstür des Wirtshauses herauskommen würde. Machiavelli hatte sich vorgebeugt, um einen besseren Blick auf die schreckliche Auseinandersetzung zu haben, und trat just in diesem Moment versehentlich einen Dachziegel los.
Von dem Geräusch alarmiert sah Cesare rasch nach oben und zog seine zweite Pistole. Machiavelli blieb keine Zeit zum Zurückweichen, bevor Cesare abdrückte; der Schuss traf seine Schulter und zertrümmerte ihm das Schlüsselbein. Dann flüchtete Cesare.
Ezio erwog, ihn zu verfolgen, aber nur einen Moment lang. Er hatte gehört, wie Cesare sagte, er wolle nach Viana gehen. Dorthin würde er ihm folgen – allerdings erst nachdem er sich um seinen verwundeten Freund gekümmert hatte.
Machiavelli ächzte Entschuldigungen, während Ezio ihn vom Dach schleppte. Er konnte laufen, immerhin, obwohl die Verletzung schlimm war.
Als sie die Hauptstraße erreicht hatten, sprach Ezio einen Passanten an, den er mit Gewalt zum Stehenbleiben veranlassen musste, denn um sie her tobte immer noch das Chaos.
„Ich brauche einen Arzt“, sagte er eindringlich. „Wo finde ich einen?“
„Viele Leute brauchen einen Arzt!“, erwiderte der Mann.
Ezio schüttelte ihn. „Mein Freund ist schwer verwundet. Wo finde ich einen Arzt? Heraus damit!“
„Lasst mich los! Ihr könntet es bei el médico Acosta versuchen. Seine Praxis liegt gleich die Straße hinunter. Es hängt ein Schild davor.“
Ezio ergriff den fast ohnmächtigen Machiavelli und stützte ihn. Den Schal seines Gewands drückte er fest auf die Wunde. Niccolò verlor viel Blut.
Kaum hatte Acosta die Wunde gesehen, setzte er Machiavelli auch schon auf einen Stuhl. Er nahm eine Flasche mit Alkohol und ein paar Wattebäusche und versorgte die Verletzung behutsam.
„Die Kugel hat die Schulter durchschlagen“, erklärte er in gebrochenem Italienisch. „Ein glatter Durchschuss. Ich muss sie also nicht herausoperieren. Aber was das Schlüsselbein angeht, das muss ich wieder richten. Ich hoffe, Ihr habt nicht vor, in absehbarer Zeit auf Reisen zu gehen?“
Ezio und Machiavelli tauschten einen Blick.
„Ich war wieder einmal ein Narr“, sagte Machiavelli mit einem erzwungenen Grinsen.
„Seid still, Niccolò!“
„Geht! Folgt ihm! Ich komme hier schon zurecht.“
„Er kann hier bei mir bleiben. Ich habe einen kleinen Anbau mit einem Krankenbett“, erklärte Acosta. „Und wenn er genesen ist, schicke ich ihn Euch nach.“
„Wie lange wird seine Genesung dauern?“
„Zwei Wochen, vielleicht länger.“
„Wir sehen uns in Rom“, sagte Machiavelli.
„Na gut“, meinte Ezio. „Gebt auf Euch acht, mein Freund!“
„Tötet ihn für mich!“, sagte Machiavelli. Dann lächelte er knapp. „Auch wenn er uns die Mühe mit Micheletto abgenommen hat.“
TEIL DREI
Schon ist das Ende nach dem Lied von Cumae gekommen.
Und großartig beginnen den Lauf ganz neue Geschlechter.
Schon kehrt wieder Astraea, es kehrt Saturnus’ Regierung:
Neue Geburten entsteigen nun bald dem erhabenen Himmel.
(Wir haben die letzte Ära im prophetischen Lied erreicht.
Die Zeit ist gekommen,
und die große Abfolge der Epochen beginnt von vorn.
Jungfräulich kehrt die Gerechtigkeit zu uns zurück,
und die Herrschaft des Saturn ist wiederhergestellt.
Der Erstgeborene der Neuzeit ist schon auf dem Wege
vom hohen Himmel herab zur Erde.)
Vergil, Ekloge, IV
63
Einmal mehr befand sich Ezio auf einer langen und einsamen Reise quer durch Spanien, in nördliche Richtung diesmal, nach Viana. Er erreichte sein Ziel im März des Jahres 1507. Die Stadt, die er etwa eine Meile entfernt vor sich sah, glich genau
Weitere Kostenlose Bücher