Assassin's Creed: Renaissance - Der offizielle Roman zum Videogamebestseller Assassin’s Creed 2 (German Edition)
andere Wege, wie sie unserem Herrn dienen konnte. Sie wurde von ihrem Gelübde entbunden, heiratete meinen Hauptmann, und schon bald wird sie dir einen eigenen Neffen oder eine Nichte schenken, Ezio.“
„Das sind wunderbare Nachrichten, Onkel. Mir gefiel die Vorstellung, dass Claudia ihr Leben im Kloster zubringen könnte, von Anfang an nicht. Aber ich habe noch so viele andere Fragen, die ich stellen will.“
„Für Fragen wird bald Zeit sein“, sagte Machiavelli.
„Es gibt noch viel zu tun, bevor wir zu unseren Lieben zurückkehren und feiern können“, erklärte Mario. „Aber vielleicht wird uns das auch nie vergönnt sein. Wir konnten Rodrigo die Kiste abnehmen, aber er wird nicht ruhen, bis er sie wieder in seinem Besitz hat. Darum müssen wir sie fortan mit unserem Leben schützen.“
Ezio sah sich in der Runde der Assassinen um, und zum ersten Mal fiel ihm auf, dass jeder von ihnen ein Mal am unteren Ende des linken Ringfingers hatte. Aber für weitere Fragen war jetzt wirklich keine Zeit. Mario sagte zu den anderen: „Ich glaube, wir müssen …“ Die anderen nickten ernst, und Antonio holte eine Karte hervor, faltete sie auseinander und zeigte Ezio eine darauf markierte Stelle.
„Hier treffen wir uns bei Sonnenuntergang“, sagte er im Ton eines feierlichen Befehls.
„Kommt.“ Mario winkte den anderen, ihm zu folgen.
Machiavelli nahm die Kiste mit ihrem ebenso kostbaren wie geheimnisvollen Inhalt, dann gingen die Assassinen einer nach dem anderen wortlos auf die Straße hinaus, verschwanden und ließen Ezio allein zurück.
* * *
Venedig wirkte an diesem Abend unheimlich leer, und der große Platz vor der Basilika lag still und verlassen da, abgesehen von den Tauben, die immer hier waren. Der Glockenturm ragte schwindelerregend hoch über Ezio auf, als er sich daran machte, ihn zu ersteigen, aber er zögerte nicht. Das Treffen, zu dem er bestellt worden war, würde ihm sicher Antworten auf einige seiner Fragen liefern, und obgleich er tief im Herzen wusste, dass ihn ein paar dieser Antworten ängstigen würden, war ihm doch auch klar, dass er den anderen nicht den Rücken kehren konnte.
Als er sich der Turmspitze näherte, hörte er gedämpfte Stimmen. Schließlich erreichte er die Ummauerung ganz oben am Turm und schwang sich in die Glockenstube. Man hatte eine runde Fläche frei geräumt, und die sieben Assassinen, die alle Kutten trugen, standen um diese Fläche herum, in deren Mitte in einer kleinen Kohlenpfanne ein Feuer brannte.
Paola nahm Ezio an der Hand und führte ihn ins Zentrum des Kreises, während Mario so etwas wie eine Beschwörung anstimmte:
„ Laa shay’a waqi’un moutlaq bale koulon moumkine … Dies sind die Worte, die unsere Ahnen sprachen und die das Herz des Credos birgt …“
Machiavelli trat vor und schaute Ezio fest an. „Wo andere Menschen blindlings der Wahrheit folgen, denke daran …“
Und Ezio beendete den Satz, als kenne er die Worte schon sein Leben lang. „… nichts ist wahr.“
„Wo andere Menschen den Schranken von Moral und Gesetz unterliegen“, fuhr Machiavelli fort, „denke daran …“
„… alles ist erlaubt.“
Machiavelli sagte: „Wir wirken im Dunkeln, wir dienen dem Licht. Wir sind Assassinen.“
Und die anderen fielen mit ein: „Nichts ist wahr, alles ist erlaubt. Nichts ist wahr, alles ist erlaubt. Nichts ist wahr, alles ist erlaubt …“
Als sie verstummten, nahm Mario Ezios linke Hand. „Es ist Zeit“, sagte er zu ihm. „In der heutigen modernen Zeit nehmen wir es nicht so wörtlich wie unsere Vorfahren. Wir opfern keinen Finger. Doch das Siegel, mit dem wir uns zeichnen, ist unauslöschlich.“ Er holte Luft. „Bist du bereit, dich uns anzuschließen?“
Ezio kam sich vor wie in einem Traum; dennoch wusste er, was er tun musste und was geschehen würde. Ohne zu zögern, streckte er seine Hand aus. „Ich bin bereit“, sagte er.
Antonio ging zur Kohlenpfanne und zog ein rot glühendes Brandeisen heraus, das in zwei kleinen Halbkreisen auslief, die sich mittels eines Hebels im Griffstück zu einem Kreis zusammenfügen ließen. Dann nahm er Ezios Hand und umfasste den Ringfinger. „Das tut nur für eine Weile weh, Bruder“, sagte er. „Wie so viele Dinge.“
Er schob den Finger zwischen die glühenden Halbkreise und drückte sie zusammen. Das glutheiße Eisen versengte das Fleisch, und es stank nach Verbranntem, aber Ezio verzog keine Miene. Antonio nahm das Brandeisen schnell wieder fort und legte es
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