Assungas Liebesnest
keine Zeit finden. Du mußt schon mit dem Bus fahren und den Rest der Strecke zu Fuß gehen.«
Sie zog die Nase kraus. »Das gefällt mir aber gar nicht.«
»Ach. So faul?«
»Nee, bin ich nicht. Aber ich will nicht wieder die komischen Vögel sehen. Die machen mir Angst.«
Blake klopfte die letzten Eisreste vom Schaber ab und schüttelte den Kopf. »Jenny, da hast du dir etwas eingebildet. Es gibt keine großen Fledermäuse hier.«
»Ich habe sie gesehen.«
»Ja, ja, du hast sie gesehen.«
»Warum glaubst du mir denn nicht?« Wütend trat sie mit dem Fuß auf. »Diese Tiere sah ich am Tag. Dabei hast du gesagt, daß sie sich nur in der Dunkelheit aufhalten, und ich kann eine Fledermaus von einem Habicht oder Sperber unterscheiden.«
»Das glaube ich dir gern, Jenny, aber es gibt keine so großen Fledermäuse.«
»Ich habe sie trotzdem gesehen, und sie kamen von dort, wo auch das alte Gemäuer liegt und wo neuerdings auch immer mal in der Nacht so ein komisches Licht brennt. Das hast du sogar gesehen.«
»Ich kann dir wirklich nicht sagen, ob es normales Licht war.«
»Was war es dann?«
»Mondlicht, das auf den alten Ruinen schimmerte. Die Ruine ist unbewohnt, glaube mir.«
»So kaputt sieht sie nicht aus.«
»Dann meinetwegen das Haus.«
Jenny schaute ihren Vater bewußt nicht an, als sie sagte: »Da wollen wir aber Silvester eine Fete feiern.«
Blake, der schon die Wagentür öffnen wollte, verharrte mitten in der Bewegung. »Darüber reden wir noch, Jenny.«
»Aber Ma hat zugestimmt.«
»Ja, ja. Es ist noch etwas Zeit.«
Jenny war wütend. »Du verdirbst mir auch alles. Die anderen dürfen alle hin.«
Blake winkte ab. »Was die anderen tun und machen, das ist mir eigentlich egal. Außerdem bin ich mir nicht sicher, ob alle Eltern damit einverstanden sind.«
»Die meisten jedenfalls«, sagte Jenny.
»Aha, schon Einschränkungen.«
Die Tür des flachen Hauses wurde geöffnet, und Mona Blake trat ins Freie. Sie schüttelte sich, weil es kalt war.
Sie hatte über den blaugrauen Pullover eine Strickjacke gestreift. Mona war eine recht große Frau mit glatt zur Seite gekämmten, blondgrauen Haaren. Die Farbe machte sie nicht älter, denn sie hatte ein noch ziemlich junges Gesicht, in dem die großen Augen auffielen. Ihre Wangen waren glatt und schmal, und der etwas breite Mund lächelte gern.
»Fertig, ihr beiden?«
»Aber immer.«
Jenny sprach ihre Mutter an. »Pa will mir nicht erlauben, Silvester in der Ruine zu feiern.«
»Tatsächlich?« tat Mona erstaunt.
»Ja, frage ihn.«
»Darüber reden wir noch.«
»Mann, Scheiße, Mist.« Jenny war echt sauer. »Du hast doch schon zugestimmt – oder?«
»Nein, nicht direkt. Da mußt du mich falsch verstanden haben, mein Schatz. Ich habe von Abwarten gesprochen. Außerdem möchte ich noch mit den anderen Eltern reden.«
»Die stellen sich nicht so an wie ihr!« beschwerte sich Jenny und stieg in den Jeep.
Mona und Peter lächelten sich an. »Immer das gleiche«, sagte die Frau. »Aber wir waren ja früher auch so.« Sie drängte sich gegen ihren Mann, um etwas Wärme abzubekommen. »Wie sieht es bei dir aus? Bist du heute mittag schon da?«
»Versprechen kann ich es nicht, Mona. Wir müssen noch einige Bäume fällen und sie abtransportieren. Das kann sich, wenn es schlecht läuft, bis zum Nachmittag hinziehen.«
Sie war etwas enttäuscht. »Schade, Peter. Ich hätte mich nach dem Essen noch gern mit dir hingelegt.«
»Nur hingelegt?«
Sie knuffte Peter in die Seite. »Was du wieder denkst.«
»Das gleiche wie du.«
»Und jetzt aber ab mit euch.« Sie küßte ihren Mann auf die Lippen, winkte Mona noch einmal durch die Scheibe zu und sah ihre Tochter, die unbeweglich auf dem Beifahrersitz saß und starr nach vorn schaute. Sie war sauer wegen Silvester.
Auch als Blake eingestiegen war, sagte sie kein Wort. Erst als sie die Straße erreicht hatten und er das Radio anstellte, beschwerte sich Jenny über die blöde Musik. »Die ist ja mehr als kraß«, sagte sie und verzog die Lippen.
» Sorry , aber die Spice Girls kann ich dir nicht bieten.«
»Die will ich auch nicht hören.«
»Wen dann?«
Sie lehnte sich nach links gegen das Fenster. »Ist doch egal. Mach, was du willst.«
»Bist du in der Schule auch so sauer?«
»Keine Ahnung.«
»Dann möchte ich kein Lehrer sein.«
»Zum Glück nicht.«
Jenny war nicht zu genießen. Sie wollte auch nicht reden und schaute stur aus dem linken Seitenfenster. Der Förster mußte lächeln.
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