Assungas Liebesnest
– endlich mal. Endlich habe ich recht. Es ist eine Fledermaus, und ich habe sie zum erstenmal gesehen und nicht du. Obwohl du der Förster bist. Aber du solltest mir wirklich mal glauben. Ich bin gut.«
»Das weiß ich doch längst, Jenny. Ich habe es nur nicht so oft gesagt, weißt du.«
»Klar, du brichst dir dann ja auch etwas aus deinem Geweih.« Sie wies auf ihren Kopf und fragte: »Was willst du denn jetzt tun, Pa?«
»Dich zur Schule bringen.«
»Und die Fledermaus?«
Er zuckte mit den Schultern. »Die wird sich verirrt haben. Das ist alles.«
Jenny prustete los. Sie protestierte nicht, als sie wieder anfuhren. Erst als sie die normale Straße erreicht hatten und nach rechts rollten, kam sie wieder auf die Fledermaus zu sprechen. »Ich weiß genau, daß du beunruhigt bist, Pa.«
»Warum sollte ich beunruhigt sein?«
»Ganz einfach. Weil es so große Fledermäuse doch eigentlich nicht geben kann – oder?«
Peter Blake schwieg. Da hatte seine Tochter genau einen schwachen Punkt erwischt. Er hatte es ihr gegenüber nur nicht zugeben wollen. In der Tat wunderte er sich über die Größe der Fledermaus. So etwas hatte er noch nie gesehen, und er wußte auch, daß die Tiere diese Größe nicht erreichten. Selbst in Südamerika nicht, und plötzlich kam ihm der Gedanke an Vampire, den er allerdings sofort wieder zur Seite wischte. Vampire waren düstere Märchen und Hirngespinste irgendwelcher Menschen, deren Phantasie in falschen Bahnen lief. Es gab sie nicht. Es gab auch keine so großen Fledermäuse.
Warum habe ich sie trotzdem gesehen? fragte er sich, und das machte ihm schon zu schaffen.
»Warum sagst du denn nichts, Pa?«
»Ich denke nach.«
»Worüber?«
Er lachte nur.
»Ja, ich weiß, die Fledermaus. Und ich sage dir, daß ich sie nicht zum erstenmal gesehen habe. Das ist schon öfter passiert. Meistens am Abend, weißt du? Und dann waren es auch gleich mehrere, die durch die Luft segelten. Hier muß irgendwo ein Nest sein.«
»Sehr schlau, Jenny. Hast du dir schon überlegt, wo sie sich versteckt halten könnten?«
»Klar doch.«
»Raus damit.«
»In der Ruine!«
Blake lachte. »Wo ausgerechnet du Silvester feiern willst. Zusammen mit Fledermäusen.«
Auch darauf wußte Jenny eine Antwort. »Kann ja sein, daß sie bis dahin nicht mehr da sind.«
»Wir werden sehen.«
Sie hatten den Ort Cromer erreicht und waren bereits in die Seitenstraße eingebogen, an der nicht nur die Kirche lag, sondern auch noch das alte Schulgebäude mit seinen Backsteinmauern.
»Eines will ich dich noch fragen, Pa. Kümmerst du dich jetzt auch um die Fledermäuse?«
»Wenn ich Zeit habe.«
»Hör auf, das sagst du nur so. Ich kenne dich doch. Du bist schon beunruhigt.«
»Stimmt. Im Moment allerdings darüber, daß du nicht pünktlich zum Unterricht kommst.«
»Das ist nicht tragisch.«
»Wir werden beim nächsten Zeugnis darüber reden.«
Er hielt an, und seine Tochter stieg aus.
Noch einmal winkte Jenny ihrem Vater lässig zu. »Und vergiß die Fledermäuse nicht, Pa.«
»Keine Sorge, ich werde daran denken.« Das folgende Lächeln mußte er sich abquälen...
Peter Blake war wieder unterwegs. Er hatte gewendet und fuhr den Weg zurück. Normalerweise hätte er in einem kleinen Café noch ein heißes Getränk zu sich genommen, aber er fuhr am Laden vorbei, ohne auch nur einen Blick darauf zu werfen.
Die Fledermaus bereitete ihm Sorgen!
Es war einfach unmöglich, daß es so große Tiere gab. Das konnte keine Fledermaus sein. Es mußte sich um ein anderes Tier handeln, obwohl es ausgesehen hatte wie eine übergroße Fledermaus.
Woher sollte sie stammen?
Der Förster konnte sich darauf selbst keine Antwort geben. Er sah sich wie in einem Kreisel aus Vermutungen und Überlegungen gefangen, ohne ihm entkommen zu können. So sehr er seine Gedanken auch anstrengte, aus dieser Falle kam er nicht heraus, und das wiederum ärgerte ihn maßlos.
Auf der anderen Seite konnte er den Vorfall auch nicht auf sich beruhen lassen. Er mußte ihm einfach nachgehen, und Blake wollte sich die Zeit dafür nehmen.
Er hatte sie im Prinzip nicht. Er war mit seinen Waldarbeitern verabredet und würde sowieso schon spät dran sein, aber die Fledermaus war jetzt wichtiger.
Peter Blake fuhr links an den Straßenrand und holte sein Handy hervor.
Zumindest der Vorarbeiter war ebenfalls mit einem solchen Gerät ausgerüstet, und ihm wollte der Förster Bescheid geben.
»Ja, was ist?«
»Ich bin es, Sean.«
»Ah – Sie,
Weitere Kostenlose Bücher