Assungas Liebesnest
Ruine wußte, nach der ich Blake fragte.
»Sie ist dort hinten.«
Er drehte sich und wies in die Richtung, aber zu Gesicht bekamen wir sie nicht. Das Wetter war zu trübe, und sie lag zu weit weg.
»Liegt sie nahe am Ort?« fragte ich.
»Nein. Sehr einsam. Man kann sie besuchen, ohne gesehen zu werden. Wollen Sie denn hin?«
»Ja, aber später«, sagte Suko. »Wenn es schon dunkel geworden ist. Vampire lieben die Nacht, und daran hat sich trotz der neuen Vorkommnisse nichts geändert.«
Der Förster sagte nichts. Er schaute uns nur an und schauderte leicht zusammen.
Ich wollte ihn auf andere Gedanken bringen. »So, dann können wir fahren.«
»Ja, natürlich. Ich fahre vor.«
»Wollen Sie Ihre Frau nicht zuvor anrufen und Bescheid geben, daß Sie Besuch mitbringen?«
»Nein, das wird nicht nötig sein. Außerdem sind wir in ein paar Minuten da. Was sollte sie dann noch ändern?«
»Gut, dann fahren wir hinter Ihnen her.«
Im Rover sitzend blies Suko die Wangen auf und hob die Augenbrauen an. »Hat es dich überrascht, John?«
»Wenn du den Vampir im Wald meinst, schon.«
»Und das andere?«
»Die Ruine, Suko, sie ist wichtig. Den Beweis habe ich nicht, aber ich kann mir vorstellen, daß wir dort Assunga’s Liebesnest finden können. Und hoffentlich auch sie selbst...«
***
Mona Blake hatte in der recht geräumigen Küche aufgeräumt und Platz für neue Lebensmittel geschaffen, als sie von draußen ein knatterndes Geräusch hörte und zum Fenster eilte.
Zuerst glaubte sie an eine Täuschung, aber das Mädchen, das vom Rücksitz des Rollers stieg, war tatsächlich ihre Tochter Jenny. Mona blickte auf die Uhr. Die Zeit stimmte. Die Schule war noch längst nicht vorbei. Jenny war zwei Stunden zu früh.
Mona schaute aus dem Fenster.
Jenny winkte dem Jungen, der sie nach Hause gefahren hatte, noch kurz zu, dann brauste der Typ auf seinem Roller davon.
Sie kam noch nicht ins Haus, sondern blieb davor stehen und schaute sich um. Dabei blickte sie auch zum Himmel, als wollte sie dort nach bestimmten Dingen forschen und sich für Vögel interessieren. Das wiederum wunderte ihre Mutter, denn so hatte sie Jenny eigentlich noch nie gesehen.
Nach einer Weile ging die Kleine auf die Haustür zu. Den Rucksack hielt sie in der Hand und erschrak leicht, als Mona die Tür öffnete, bevor Jenny sie erreicht hatte.
»Wo kommst du denn her?«
Jenny zog die Nase hoch. »Aus der Schule.«
»Klar – aber warum?«
»Zwei Lehrer waren krank. Grippe oder so. Da ist der Unterricht ausgefallen.«
»Lernt ihr überhaupt noch etwas?«
»Manchmal schon.«
»Dann komm rein. Du kannst was mitessen.«
»Was hast du denn gekocht?«
»Ich esse einen Salat.«
Jenny ließ den Rucksack mit den Schulutensilien auf den Boden knallen. »Nein, nur das nicht. Ich bin doch nicht auf Diät, Ma.«
»Weiß ich.«
»Kann ich Nudeln essen?«
»Ja.«
»Danke.«
Mona verschwand wieder in der Küche, während sich Jenny im Flur ihrer dicken Winterjacke entledigte. Es war warm im Haus, und es roch nach Tannenholz. Damit waren die Wände und die Decke verkleidet worden. Auch der Fußboden bestand aus diesem Material. Jennys Vater hatte darauf bestanden, und er hatte das Haus auch innen so ausgestattet. Es paßte zu der Holztreppe, die zum Obergeschoß führte, wo die Schlafräume der Familie lagen.
Jenny streifte ihre dicken Schuhe ab und schlüpfte in die Strickpantoffeln, die sie so gern im Winter trug, auch wenn das nicht cool war. Sie fühlte sich darin wohl, und das aufgerauhte Leder unter den Tretern verhinderte ein Rutschen.
Den Pullover ließ sie an. Er schlabberte an ihrem Körper herab und endete fast in den Kniekehlen. Gähnend betrat sie die Küche und setzte sich auf einen Stuhl.
Mona war dabei, Salat zu waschen. Die Küche war ihr Reich. Sie hatte sie nach ihren Wünschen einrichten können, und da sie gern kochte, brauchte sie auch die entsprechende Umgebung, um sich darin wohl zu fühlen.
Die Familie aß gern hier. Deshalb gab es auch einen selbst gezimmerten Eichentisch, um den sich die Blakes beim Essen versammelten. Mona rückte einen Stuhl zurecht, und Jenny hockte sich an das Fenster. Mit ihm schloß eine Schmalseite des Tisches ab.
»Wer war der Junge?« fragte Mona.
»Das war Ronny.«
»Aha.«
»Wieso?«
»Er stammt nicht aus deiner Klasse – oder?«
»Nein, der ist schon älter.« Jenny stützte ihr Kinn mit den Händen und schaute versonnen durch die Fensterscheibe. »Ich glaube, Ronny liebt
Weitere Kostenlose Bücher