Asylon
nahm einen
verschmitzten Zug an. »Nein, nein. Ich bin alleinstehend. Sein Vater ist seit
langer Zeit … vermisst, sozusagen.«
»Ah. Das tut mir leid«,
antwortete John und versuchte, nicht allzu erleichtert zu klingen.
Sie schüttelte den Kopf. »Kein
Problem. Ich bin drüber weg.«
Sie schwiegen einen Moment, und
John besah sich die Frau, die ihm auf Anhieb sympathisch war. Schließlich wagte
er zu fragen: »Sagen Sie, kennen wir uns vielleicht irgendwo her?«
Wieder weiteten sich ihre Augen.
»Wie … wie kommen Sie darauf?«
»Als Sie mich eben zum ersten Mal
sahen …«, begann er zögerlich. »Nun, es hatte fast den Anschein, als würden Sie
mich wieder erkennen, auch wenn ich nicht wüsste …« Er verstummte schüchtern.
Wieder Schweigen. Sie machte ganz
den Eindruck, als würde sie über irgendetwas grübeln, doch dann lächelte sie
ihn wieder an und sagte: »Ihr Foto. Es war heute Morgen in der Zeitung.
Deswegen kamen Sie mir gleich so bekannt vor. Ich habe den Artikel gelesen. Sie
haben ein paar Kollegen in Ihrer Firma nach einem Maschinenschaden das Leben
gerettet.«
»Na ja, das ist ein wenig
übertrieben«, druckste John. »Ein Transformator ist in Flammen aufgegangen.
Nichts wirklich Dramatisches.«
»Die Zeitung nennt Sie einen
Helden.«
»Ach, das war wirklich nichts«,
wiegelte John ab.
Erneut trafen sich ihre Blicke.
Plötzlich überkam ihn eine fast überwältigende Mischung aus Traurigkeit und
Freude, so als ob irgendetwas Großartiges an seine innere Tür klopfte, doch als
er sie öffnen wollte, wurde es zu einem Nebel. Röte stieg ihm ins Gesicht, als
ihm bewusst wurde, dass er sie eine Weile lang unverwandt angestarrt hatte. Er
wollte etwas sagen, doch sie kam ihm zuvor.
»Nun … John Smith. Vielleicht
haben Sie ja Lust, uns Dreien bei Gelegenheit ein wenig Gesellschaft zu leisten?«
»Äh … sehr gern.«
»Vielleicht morgen Abend. Wie der
Zufall will, habe ich alle Zutaten für ein großes Chili im Haus, und Sie
könnten mit beim Kochen ein bisschen zur Hand gehen«, sagte sie leichthin.
»Oder haben Sie schon etwas vor?«
»Ich? Ja … äh … ich meine … nein.
Also nicht wirklich.« John verfluchte sich innerlich für seine Stammelei.
»Also gut, dann sagen wir morgen
so ab acht, wenn’s Ihnen passt.«
»Ja, sehr gern«, antwortete er
und unterdrückte den Impuls, sie zum Abschied zu küssen.
»Schön«, sagte sie. »Dann also
bis morgen.«
»Bis morgen.«
John winkte, zwinkerte den
Kindern zu, dann ging er weiter auf sein Haus zu.
Auf halbem Wege drehte er sich
noch einmal um. Gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie Susan – oder wie das Mädchen
hieß – seiner neuen Nachbarin kichernd den Ellenbogen in die Seite stieß. Die
Frau, Tina, legte den Arm um das Mädchen, und die beiden hüpften fröhlich
lachend in das Haus, den kleinen Jungen dicht auf ihren Fersen.
Für einen Moment war da wieder
dieses Gefühl, dieses innere Anklopfen, die Welle, die nicht am Ufer anbranden
wollte, etwas, das er niemals würde greifen können.
Aber vielleicht musste er das
auch gar nicht.
Das Wochenende hatte jedenfalls
zu leuchten begonnen.
ENDE
Nachwort und Danksagungen
Es war im Mai 2009 als
mein Agent Bastian Schlück mir mitteilte, dass Carsten Polzin, Cheflektor der
Fantasy-Sparte des Piper Verlags nach einer neuen Idee von mir gefragt hatte.
Zu diesem Zeitpunkt zeichnete sich – vor allem im Jugendbuchbereich – ein neues
Trendgenre ab: die postapokalyptische Dystopie (klingt wie aus einem
Germanisten-Albtraum, richtig?). Carsten traute mir dieses Genre wohl auch
deswegen zu, weil ihm von mir bereits ein Entwurf für ein Buch in einem
ähnlichen Genre vorlag, dass ihm zumindest stilistisch gut gefallen hatte.
Drei Monate habe ich dann über
einer neuen Idee gebrütet. Relativ schnell war ich dabei auf das Grundkonstrukt
eines Gefängnisses gekommen, dessen Insassen aufgrund einer Täuschung glauben,
sie lebten in der letzten Stadt der Erde. Filme wie Die
Klapperschlange , Dark City oder The Thirteenth Floor mögen mich dazu inspiriert haben.
Die erste Szene nach dem Prolog,
in der Torn (der im Entwurf noch Preston hieß) und Scooter an der Grenze Lynns
Leiche finden, war auch die erste, die ich geschrieben habe … damals noch als
Appetithappen, lange bevor es so etwas wie einen ausgereiften Plot gab. Etwa um
die Weihnachtszeit 2009 habe ich dann ein Exposé eingereicht. Bis Carsten es
letztendlich akzeptieren konnte, hat es einige interessante
Weitere Kostenlose Bücher