Aszendent Blödmann
gar nicht finden konnte …
Während Marie mit flinken Fingern an mir herumpuderte und -pinselte – ich hoffte nur, sie wusste, was sie da tat –, quatschte sie ohne Punkt und Komma auf mich ein. Anfangs hatte ich ihren Redefluss über mich ergehen lassen, ohne richtig hinzuhören, doch der euphorische Klang ihrer Stimme ließ mich plötzlich aufhorchen.
»Das sind ja wirklich tolle Neuigkeiten! Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie ich mich für dich freue«, jubelte Marie so begeistert, als hätte ich gerade den Lottojackpot geknackt.
Ich fand ihre Anteilnahme wirklich rührend. Aber wovon zum Kuckuck redete sie eigentlich? Wenn sich in meinem Leben etwas ereignet hatte, das nach Champagnerdusche und Konfettiregen verlangte, dann war es unbemerkt an mir vorübergegangen. Vielleicht war Marie ja so nett, mir ein wenig auf die Sprünge zu helfen.
»In welchem Monat bist du denn?«, fragte Marie, während sie sich mit einem dunkelroten Konturenstift vorsichtig an meinen lädierten Lippen zu schaffen machte. Wie bitte? Ich musste mich verhört haben. »Wünschst du dir mehr einen Jungen oder ein Mädchen? Nein, sag jetzt lieber nichts, ich muss erst deinen Mund fertig schminken. Eigentlich ist das Geschlecht ja auch völlig nebensächlich. Hauptsache gesund, nicht?«
Wie ein Fisch auf dem Trockenen schnappte ich nach Luft. Im ersten Moment war ich vor Überraschung völlig perplex, doch dann konnte ich nicht länger an mich halten. »Wer hat dir erzählt, dass ich schwanger bin?«, brach es aus mir heraus.
Der Konturenstift wanderte in Richtung Kinn, wahrscheinlich sah ich jetzt aus wie ein trauriger Clown. »Oh nein!« Marie hielt sich betreten die Hand vor den Mund. »Sag bloß, du wolltest die freudige Nachricht noch ein wenig für dich behalten. Ich konnte doch nicht ahnen, dass das top secret ist. Du kennst doch den Laden. Nichts macht hier so schnell die Runde wie ein Geheimnis.«
»Marie, ich bin nicht schwanger«, unterbrach ich sie.
»Bist du nicht?« Marie griff nach meiner Hand und tätschelte sie tröstend. »Oh Melina, das tut mir so leid. Schlimme Sache, so eine Fehlgeburt. Meine Schwester hat ihr Baby auch in der elften Woche verloren. Aber glaub mir: So weh es am Anfang auch tut – mit der Zeit lässt der Schmerz nach.«
»Ich bin aber nie schwanger gewesen.«
»Tztztz«, Marie schüttelte voller Empörung den Kopf. »Da kann man mal wieder sehen: So entstehen Gerüchte. Man soll nicht alles glauben, was man so hört.«
»Wer hat dir denn erzählt, dass ich schwanger bin?«
»Lass mich mal kurz überlegen.« Wie zum Beweis, dass sie auch wirklich nachdachte, legte Marie die Stirn in Falten. »Ich glaube, Isabell hat es neulich beim Kaffeetrinken erwähnt.«
Verdammt noch mal! Ich kochte innerlich. Wie kam Isabell nur dazu, so einen Blödsinn über mich in Umlauf zu bringen? Ausgerechnet Isabell, die sich sonst bei Klatsch und Tratsch immer sehr zurückhielt? Na, die würde ich mir vorknöpfen!
»Ach ja, und Claus-Dieter und Verena haben sich im Aufzug darüber unterhalten.«
Na bravo! Abgesehen von mir, der glücklichen Mama in spe, wusste offenbar fast jeder im Hotel, dass ich ein Kind erwartete. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sich die frohe Kunde auch zu Ilka rumsprechen würde – wenn das nicht sogar bereits geschehen war –, dann konnte ich mir die Beförderung abschminken. Und auch Conrad wäre sicher gar nicht erfreut darüber, per Flurfunk zu erfahren, dass er noch einmal Daddy wurde.
Wer hat dieses Gerücht bloß in Umlauf gebracht, grübelte ich, während Marie sich nun schweigend weiter an meinem Gesicht zu schaffen machte. Hatte ich vielleicht selbst durch eine unbedachte Äußerung die Lawine ins Rollen gebracht? Es war noch gar nicht so lange her, da hatte ich mich mit Verena und Yvonne in der Mittagspause über Kinder unterhalten und keinen Hehl daraus gemacht, dass ich zum Zeitpunkt x – wann immer der auch sein mochte – selbst mal welche haben wollte. Aber daraus zu schließen, dass ich schwanger war, schien mir doch ziemlich weit hergeholt zu sein. Schließlich hatte ich auch schon des Öfteren verkündet, dass ich verdammt gerne mal im Lotto gewinnen würde, und deshalb hatte mich bisher trotzdem noch niemand um ein paar Millionen angeschnorrt.
Aber wie in aller Welt kamen meine Kollegen sonst darauf, dass ich ein Baby erwartete? Auch wenn mein Bauch bei Weitem nicht so straff war, wie ich es mir wünschte und wie ich es der Anzahl meiner abendlichen
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