Aszendent zauberhaft
einem sehr schmalen Budget. Wir können aus leeren Kassen keine enorme Unterhaltung finanzieren. Das können wir uns einfach nicht leisten. Machen Sie das Beste aus den Gegebenheiten, Mrs Rivers, und seien Sie dankbar.«
Zehn Minuten später, nach kurzem Gang über den blitzsauberen, stark nach Zitronen-Lufterfrischer riechenden, cremefarben gestrichenen Korridor, gab Essie an der Tür zu Liliths Appartement das geheime Klopfzeichen.
»Komm nur rein, Honey«, brummte Lilith. »Ich schlafe nicht. Ich bin nicht müde, und außerdem ist es viel zu heiß.«
Essie sah Lilith lächelnd an, eine große Karibik-Königin in den Siebzigern, die in einem wallenden rot-orange schattierten Kaftan ausgebreitet auf dem Bett lag.
»Du siehst ein bisschen bedrückt aus, Honey.« Lilith hievte sich in eine sitzende Position. »Doch nicht wieder Ärger mit den Tugwells? Der kleine Tony und die enorme Joy machen dir doch nicht etwa Kummer?«
»Nicht wirklich.« Essie hockte sich auf Liliths Bettkante. »Nur der übliche Mist, dass ich nicht machen darf, was ich möchte. Das kann ich aushalten.«
»Wenn andere es können, kannst du es auch«, meinte Lilith lachend. »Allerdings haben sie wahrscheinlich nicht ganz Unrecht … nachdem …«
»Nein!« Essie hob abwehrend die Hände. »Lass es. Wenn du vorhast, mich an das kleine Problem mit den AstrologieSitzungen zu erinnern, das hat die enorme Joy schon getan. Mal wieder.«
»Wollte ich gar nicht, Honey.« Lilith gluckste. »Fiele mir im Traum nicht ein. War das ein Spaß. Nein, ich wollte sagen, nach dem, was dir in Winterbrook zugestoßen ist, wollen die
Tugwells wahrscheinlich unbedingt sichergehen, dass so was nicht noch mal vorkommt.«
»Ja, ich weiß, und ich weiß, dass wegen dem, was mir passiert ist, ihr nun alle unter derselben Inhaftierung leidet, aber verflixt noch mal, das ist schon Ewigkeiten her. Dass ich so doof und blauäugig war, mich überfallen zu lassen, heißt doch noch lange nicht, dass jedem Twilighter dasselbe Schicksal droht.«
Lilith lachte. »Und du hast ihnen einen harten Kampf geliefert, aber die Tugwells sehen ihren guten Ruf – und ihre kuscheligen Jobs – den Bach runtergehen, wenn so was Ähnliches noch mal passieren sollte. Außerdem machen wir dir keine Vorwürfe, dass die Regeln geändert wurden und niemand mehr alleine ausgehen darf, Honey, keiner von uns.«
Essie seufzte. Die anderen vielleicht nicht, aber sie selbst schon. Zudem war das vor einer halben Ewigkeit gewesen, und der Blitz schlug doch sicher nicht zweimal in denselben Baum, oder? Ja, sie war auf der Hut gewesen, als die Bande von ausdruckslos blickenden, hohläugigen Jungs – und es waren Jungs gewesen, dachte Essie, noch richtige Kinder – in einer Seitengasse Winterbrooks auf sie zugekommen waren. Aber sie war ihnen ausgewichen und weitergegangen und war eher schockiert und zornig gewesen als verängstigt, als sie ihr folgten und ihr in den Weg traten und sie mit kehligen Lauten anknurrten, die sie nicht verstand. Sie erinnerte sich noch, wie seltsam sie es gefunden hatte, dass diese englischen Jungs nicht dieselbe Sprache sprachen wie sie.
Und dann hatten sie angefangen handgreiflich zu werden, hatten schreckliche laute Drohgeräusche von sich gegeben und sie geschubst und versucht, ihr die Handtasche zu entreißen.
Essie stieß die Luft aus. Die Erinnerung war noch immer beängstigend – selbst jetzt noch.
Und wütend über diese unverhohlene Feigheit hatte sie
schimpfend ihre Handtasche geschwungen und einem von ihnen einen krachenden Schlag gegen die Schläfe verpasst.
Daraufhin hatten sie noch mehr unmenschliche Laute gebrüllt, sie gestoßen und ihre Tasche gepackt. Nach wie vor mehr wütend als ängstlich hatte Essie sie mit sämtlichen Schimpfworten bedacht, die ihr einfielen, und versucht, sich ihre Tasche zurückzuholen. Da hatten die Jungs sie ausgelacht, bis sie auf sie losgegangen war, woraufhin sie wieder gestoßen wurde und gegen eine Mauer krachte und hinfiel. Die Jungs waren, noch immer lachend, ein Stück die Gasse hochgelaufen – und dann hatte es dort jede Menge Geschrei gegeben und diese ungeheure Schlägerei war ausgebrochen …
Bald waren Polizei und Sanitäter gekommen, und Essie war trotz ihrer Proteste eilends ins Krankenhaus gebracht worden, wo man sie über Nacht dabehielt. Sie hatte einen Schock und ein paar blaue Flecken, aber nichts Schlimmeres – zumindest körperlich nicht -, und nach einem Tag Bettruhe hatte man Essie nach
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