Aszendent zauberhaft
eine unserer Bewohnerinnen meint, sie gehöre zu den Starastrologen wie Mystic Meg und Russel Grant und uns damit nichts als Ärger beschert hat, halte ich es für eine ganz hervorragende Idee, wenn unsere Bewohner durch Ihre Besuche wahrsagemäßig auf ihre Kosten kommen. Tony, mein Männe, und ich glauben natürlich nicht an solchen Unsinn, aber alles, was der Nörgelei hier ein Ende macht, ist uns herzlich willkommen. Ich verlasse mich allerdings darauf, dass Sie ihnen nur Gutes vorhersagen, nicht wahr? Schlechte Neuigkeiten sind absolut verboten. Comprendez ?«
Bei der Erinnerung an Joys langatmigen Vortrag noch immer lächelnd rief Phoebe den tröstlich plappernden Fernseher ins Leben. Nun, die Ausflüge nach Twilights brächten ihr dringend benötigten Zusatzverdienst – sie beschloss, das Thema Untermieter zu vertagen, bis im November die von Ben im Voraus bezahlte Miete auslief – und bedeuteten, dass sie nun nur noch vier Abende der Woche irgendwie ausfüllen musste. Außerdem, dachte sie, unter Leuten fortgeschrittenen Alters zu sein, die kein Heim und keine Familie mehr besaßen und die meisten ihrer Freunde überlebt hatten und nirgendwo mehr hinkonnten und niemanden hatten, der mit ihnen etwas unternahm, könnte gut dazu beitragen, ihr eigenes Unglück zu relativieren.
Ohne den Nachrichtensprecher zu beachten, der wie üblich über irgendetwas deprimierend Schreckliches berichtete, ging Phoebe in die Küche, goss sich ein großes Glas Wein ein,
gab eine Handvoll Eiswürfel dazu und öffnete die Terrassentür voller Vorfreude, eine Stunde lang dem Rauschen des Flusses zu lauschen und ihre Ruhe zu haben.
»Oh, mein Gott!«
Mit krachendem Splittern ließ sie ihr Weinglas fallen.
Rocky Lancaster, in ausgewaschenen Jeans und einem schmuddeligen T-Shirt, lümmelte mit einer Flasche Bier in der Hand auf einem der schmiedeeisernen Stühle. Eine dicke Anti-Mücken-Duftkerze flackerte auf dem Tisch.
»Was zum Teufel bilden Sie sich eigentlich ein?« Augenblicklich trat Phoebe über Glasscherben knirschend den Rückzug an und überlegte, ob sie es wohl nach drinnen schaffte und die Polizei rufen könnte, bevor er sich auf sie stürzte. »Das ist mein Garten. Nicht Ihrer. Sie werden ja wohl wissen, was das Wort ›Gartenwohnung‹ bedeutet!«
Rocky sah sie ausdruckslos an. Echt ein Jammer, dass er so ein feiger Schläger ist, schoss es Phoebe durch den Kopf – er ist ein wirklich schöner Mann.
»Haben Sie mich gehört?«
»Wahrscheinlich hat die ganze Winchester Road Sie gehört«, gab Rocky zurück und nahm einen Schluck Bier aus der Flasche. »Schreien Sie doch nicht so herum.«
»Ich schreie nicht!«, schrie Phoebe.
»Doch, tun Sie. Es ist schon spät – und ich darf Sie erinnern, dass Sie doch immer darauf herumreiten, dass man die Nachbarn nicht mit Lärm stören sollte.«
»Sie haben kein Recht, …«
»Ich habe sehr wohl das Recht.« Rocky stellte die Bierflasche ab. »Die Gartenwohnung hat zwar in der Tat den direkteren Zugang zum Garten, aber wir haben die Außenanlagen immer gemeinsam genutzt.«
»Das war aber, bevor …«
»Bevor Sie wussten, dass ich ein Ex-Knacki bin? Bedaure, aber davon steht nichts im Mietvertrag. Sie sollten sich das Kleingedruckte zum Thema gemeinschaftliche Nutzung durchlesen. Und wenn Sie nicht aufpassen, schneiden Sie sich gleich die Füße an den Scherben auf. Diese Flipflops sind nicht sehr robust.«
»Machen Sie sich um mein Wohlergehen mal keine Sorgen – gehen Sie einfach ruhig rauf in Ihre Wohnung, und lassen Sie mich in Ruhe.«
»Ich bin nicht wegen Ihrer Gesellschaft hier, auch wenn Sie das überraschen mag. Wir wohnen zwar unter einem Dach, aber an Ihrer Freundschaft bin ich nicht interessiert. An niemandes Freundschaft. Ich bin sehr zufrieden mit mir allein, und ich war zuerst hier, ob es Ihnen nun passt oder nicht.«
Phoebe schluckte. Das war ja grauenhaft. Dieser Mann, den sie so verabscheute, verspottete und piesackte sie, und sie konnte kaum etwas dagegen tun. Sie war ja eigentlich kein Angsthase, aber mit jemandem, der wegen schwerer Körperverletzung im Gefängnis gewesen war, sollte man wohl lieber vorsichtig umgehen.
Und nachdem er nun klargestellt hatte, dass er vorhatte, in der Wohnung zu leben und den Garten zu nutzen, als sei nichts geschehen, wurde ihr plötzlich klar, dass sie wirklich nicht hierbleiben konnte. Wenn Rocky blieb, würde sie gehen müssen. All ihre Pläne, sich eine unabhängige Existenz aufzubauen, all die
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