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@ E.R.O.S.

@ E.R.O.S.

Titel: @ E.R.O.S. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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von den Wänden gezerrt, Gitarrenkästen unter meinem Bett hervorgeholt und ganz allgemein alles verwüstet, was groß genug ist, um darin einen Hamster verstecken zu können.
    Aber die Skulptur der Jacke meines Vaters – die an langen Haken hängt, die mit Beschlagnägeln in die Wand getrieben wurden – haben sie nicht angerührt, wie Miles es wohl vermutet hat. Ich stehe vor ihr wie ein Gottesdiener vor einer Ikone und frage mich, ob dieser unbelebte Gegenstand, der so lange die Erinnerung an meinen Vater bewahrt hat, den Ausweg gewiesen hat, den Miles während eines Augenblicks der Verzweiflung suchte. Die Jackenskulptur sieht unglaublich echt aus, das weinrote »Kaschmir« ist leicht zerknittert, als hätte man die Jacke gerade erst ausgezogen, nachdem man in ihr einen Abend lang in einem verräucherten Club Musik gemacht hatte. Das Holz gibt sogar die feinen Nähte wieder. Die aufgesetzten Taschen haben Klappen, lassen sich aber nicht öffnen. Einer der Deputies hat sich wahrscheinlich die Knöchel aufgerissen, als er es versuchte.
    Doch die innere Brusttasche ist dank der mühevollen Arbeit des Bildhauers vorhanden, irgendwie in das schwarze »Seidenfutter« eingelassen. Mit einer Sicherheit, wie ich sie noch nie zuvor empfunden habe, greife ich mit völlig ruhiger Hand zwischen die hölzernen Aufschläge und schiebe zweiFinger in diese Tasche. Eine dünne Plastikkante gleitet zwischen meine Fingerspitzen. Als ich die Hand zurückziehe, befindet sich eine 3,5-Zoll-Diskette mit der Aufschrift » TROJANISCHES PFERD « darin.
    »Du Schweinehund«, flüstere ich.
    Ohne das geringste Zögern gehe ich mit der Diskette zum Gateway, schiebe sie in das Laufwerk und sehe mir an, was sich darauf befindet. Sie enthält nur zwei Dateien. Bei der einen handelt es sich um einen WordPerfect-Text von 10432 Bytes mit dem Namen »Harper«. Die andere trägt den Namen »E.jpg« – wobei das ».jpg« eine Graphikdatei bezeichnet, die nach dem Standard der Joint Photographic Experts Group verschlüsselt wurde. Das muß das Trojanische Pferd sein. In der Hoffnung auf eine Erklärung lade ich WordPerfect, drücke SHIFT, F-10 und rufe »Harper« auf. Der etwa eine Seite lange Brief beginnt folgendermaßen:
     
    Harpe, zum Glükc schriebe ich die Ladeanwiesungen-
    beovr die Cops heir seind. Bring Brahma nurdazu diese
    JPEG zu ladn und wir haben ihn. MAchsmit TIA!
     
    »TIA«, murmele ich. »Thanks in Advance. Danke für die Nachricht. Nein danke.«
    Der Rest des Briefs besteht aus genauen Anweisungen, wie ich die JPEG-Datei via EROS übertragen kann. Dieser Teil weist fast keine Tippfehler auf; Miles muß ihn schon geschrieben haben, bevor er das Trojanische Pferd fertig hatte. Obwohl er nicht genau erklärt, was das Trojanische Pferd bewirken soll, teilt er mir mit, daß sein Plan auf der Annahme beruht, daß Brahma das neue UUEncoder-Decoder-Programm von EROS benutzen wird, um die Bilddatei zu dekodieren. Der Trojanische-Pferd-Kode wird wahrscheinlich irgendwo im Foto als kleine schwarze Linie sichtbar sein, wenn Brahma es sich ansieht, was ich im voraus damit erklären soll, daß das Bild mit einem billigen Handscanner digitalisiert wurde.
    Das Problem ist, daß Miles die wichtigste Information nicht in den Brief aufgenommen hat: eine Beschreibung des Bilds, das in der JPEG-Datei enthalten ist. Mein EROS-Programm kann JPEG-Bilder dekodieren, aber da das Trojanische Pferd in dieser Datei verborgen ist – und ich nicht die geringste Ahnung habe, welche zerstörerische Funktion es ausführen soll –, habe ich nicht die Absicht, einen meiner Computer zu ruinieren, indem ich versuche, es mir anzusehen.
    Da Miles mir nicht gesagt hat, um welches Bild es sich handelt, muß er angenommen haben, daß die Antwort offensichtlich ist. Was für ein Bild könnte Brahma so dringend haben wollen, daß er es in seinen Computer lädt?
    E.jpg.
    Ein Frösteln läuft mir über den Rücken. Wollte Miles tatsächlich vorschlagen, daß ich Brahma ein Foto meiner Schwägerin schicke? Keine Frage ... Ich war bereit gewesen, Erins Persönlichkeit zu benutzen – zumindest bis zu einem gewissen Grad –, um Brahma zu verführen, und Miles hatte nicht mal halb so viele moralische Skrupel wie ich. Doch selbst, wenn er ihr Foto benutzen wollte – wie hätte er das bewerkstelligen sollen? Es gibt in diesem Haus keine digitalen Fotos von Erin.
    Dann geht mir ein Licht auf. Er muß kein Foto von Erin benutzen. Miles neuestes Projekt bestand darin, das

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