@ E.R.O.S.
unserer Kindheit, und ich war keine Ausnahme. Da meine Hämophilie meine einzige Beschränkung war, nahm sie in meiner Vorstellung entsetzliche Ausmaße an. Ich kräftigte meinen Körper durch endloses Schwimmen, eine Sportart, bei der die Aussicht, sich eine blutende Wunde zuzuziehen, sehr gering ist. Mein Körper zog Frauen an, doch wann immer die Dinge eine unverhohlen sexuelle Ebene erreichten, stieß ihre Körperlichkeit, ihre bloße Vitalität mich ab. Ich verspürte Ekel, Furcht, Unwohlsein, und verstand den Grund dafür nicht. Die erotischen Taten meines Vaters bewiesen, daß Sex für Männer wie uns möglich war. Ich masturbierte, wenn auch vorsichtig, und zwei Semester lang hatte ich auf dem College einen Zimmergefährten, der mich zum Höhepunkt lutschte, wann immer ich Erleichterung brauchte. Es widerte mich an, doch es erfüllte seinen Zweck. Trotzdem fürchtete ich, was bei dem unvorsichtigen Stoßen und Zucken des richtigen Geschlechtsverkehrs passieren würde.
Dann, auf einer Party eines Kommilitonen, ging ich irrtümlich in ein Zimmer, in dem ein betrunkenes Mädchen ohnmächtig geworden war. Als ich ihre geschlossenen Lider betrachtete, die fast reglosen Brüste unter ihrem Pullover, fühlte ich, wie mein Puls sich beschleunigte und mein Glied leicht anschwoll. Ich schloß die Tür, ging zu ihr und schob die Hände unbeholfen unter ihren Pullover, während mein Herz in meiner Brust donnerte. Ich hatte entsetzliche Angst, jemand könne hereinkommen, tastete aber einen Augenblick lang unter ihrer Kleidung, beschmutztemeine Hose und floh dann aus dem Haus. Das klingt erbärmlich, nicht wahr?
ERIN>
Ich habe schon Seltsameres gehört.
MAXWELL>
Natürlich fand ich eine Möglichkeit, mich wieder in eine ähnliche Situation zu bringen, doch diesmal zog ich dem Mädchen das Höschen aus und drang tatsächlich in sie ein. Beim dritten Mal erwachte das von mir erwählte Mädchen, und ich lief davon. Es konnte mich nicht identifizieren, doch das Erlebnis machte mir solche Angst, daß ich damit aufhörte. Es zwang mich auch, meine eigene Neurose zu diagnostizieren. Mein ganzes Leben lang hatte ich ein psychosexuelles Abbild meiner toten Mutter mit mir herumgetragen. Es war der letzte Blick, den ich auf sie geworfen hatte, während sie reglos in ihrem Sarg lag, bleich und perfekt, und auf die Flammen der Einäscherung wartete. Diese Frauen, die ich berührt hatte, waren lediglich grobe Reflexionen der Anima in meinem Kopf. Natürlich sind Diagnose und Heilung zwei verschiedene Paar Schuhe. Jemand, der unter Höhenangst leidet, kann seine Furcht nicht einfach so abschütteln. Meine Anima blieb bei mir, und sie trug Gesichter, die ich noch nicht wahrgenommen hatte.
ERIN>
Während der vier Jahre des Studiums hast du dich nicht einmal verliebt?
MAXWELL>
Verliebt? Mein Geist war in Ketten geschlagen! Wann immer ich glaubte, Fortschritte zu machen, kam es zu einem weiteren Zwischenfall. Während des Studiums mußten sieben andere Studenten und ich in einen OP marschieren, in dem eine anästhesierte junge Frau einer Hysterektomie unterzogen werden sollte. Wir sollten an ihr Vaginaluntersuchungen vornehmen. Das ist in Lehrkrankenhäusern so üblich, falls dein Mann es dir nicht erzählt haben sollte. Während ich in der Schlange stand und beobachtete, wie meine Mitstudenten ihre behandschuhten Finger in den bleichen, leblosen Körper zwangen, verspürte ich Zorn über die institutionelle Schändung dieser wehrlosenFrau. Aber dann spürte ich einen schrecklichen Druck unter meinem Laborkittel. Als ich mit der Untersuchung an der Reihe war, zitterten meine Hände. Das war so ungewöhnlich, daß der beigeordnete Arzt eine Bemerkung darüber fallen ließ. Ich wurstelte mich durch die Prüfung und lief dann zur Toilette, um meine Not zu lindern. Dabei stellte ich mir die anästhesierte Frau vor, das perfekteste Bild, das ich bislang von meiner Mutter gesehen hatte. In diesem Augenblick wußte ich, daß ich noch nicht frei von ihr war – und vielleicht nie frei sein würde.
ERIN>
Dein Vater hat deine Probleme nie bemerkt?
MAXWELL>
Natürlich hat er das! Richard machte allein sich dafür verantwortlich. Weil er meine Mutter noch lange nach ihrem Tod verehrt hatte. Weil er nicht den Mut gehabt hatte, die Frau zu heiraten, die er liebte. Er wußte, hätte er es getan, hätte er mir vielleicht das Geschenk machen können, das man ihm gewährt hatte – eine Schwester, mit der ich alles teilen konnte. Er bat mich, nur eine
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