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@ E.R.O.S.

@ E.R.O.S.

Titel: @ E.R.O.S. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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meine Schwester abgeschlachtet hat, läuft noch frei herum, er ist irgendwie von mir besessen, und du glaubst, ich sei nicht reif genug, mir seine elende Grausamkeit anzusehen? Ich bin Ärztin, Harper. Hol das gottverdammte Band!«
    Ich gehe schweigend zu meinem Schreibtisch, hole das Acht-Millimeter-Originalband heraus und gebe es ihr.
    »Ich rufe dich, wenn ich es mir angesehen habe«, sagt sie mit entschlossenem Gesicht.
    »Drewe, bitte.«
    »Ich kann mit der Kamera umgehen. Bitte warte draußen. Das muß ich allein durchstehen.«

44
    W
ährend Drewe sich in meinem Büro Berkmanns Video ansieht, gehe ich wie ein Tiger im Käfig in der Küche auf und ab. Als ich es nicht mehr ertragen kann, rufe ich mit dem Telefon in der Küche Miles an. Er scheint erleichtert zu sein, meine Stimme zu hören.
    »Ich warte noch immer auf diesen Leonardo«, sagt er mit lautem Flüstern. »Hoffentlich kreuzt er bald auf. Es wird hier oben allmählich gefährlich. Ich mußte gerade ein paar Kids zurechtstutzen.«
    »Was soll das heißen?«
    »Ein paar schwarze Brüder haben mich gegen eine Wand gedrängt und mir gesagt, ich hätte die falsche Hautfarbe für diese Gegend. Ich dachte, sie wollten mich ausrauben – ich habe hier oben Geld verteilt, als wäre ich der Weihnachtsmann–, aber sie wollten mich nur langmachen. Es hat sie auch nicht interessiert, wie viele schwarze Freunde ich habe. Ich mußte sie ein paar Mal treten.«
    »Treten?« wiederhole ich, doch im gleichen Augenblick fallen mir Miles’ Ausbildung in Kampfsportarten und die Anklage wegen Körperverletzung ein, von der Lenz mir erzählt hat.
    »Berkmann muß nicht ganz dicht sein, wenn er sich hier oben ein Versteck gemietet hat. Vielleicht ist es ein Lagerhaus, in das man direkt hineinfahren kann.«
    »Ich habe den Eindruck, daß er auf sich aufpassen kann, Miles.«
    »Das werden wir herausfinden, nicht wahr? Ich hoffe nur, daß ich das Haus bald finde. Hier oben ist es schon fast dunkel.«
    Was bedeutet, daß es auch hier bald dunkel sein wird.
    Miles spricht wieder, aber ich höre ihm nicht mehr zu. Drewe steht in der Küchentür. Sie hat das Handtuch vom Kopf genommen. Ihr Haar ist ein kupferfarbenes Gewirr, ihre Augen sind leere, blutunterlaufene Kreise.
    »Ich muß aufhören, Miles.«
    »Schon wieder?«
    Ich hänge ein und umarme Drewe fest. Ihre Arme hängen schlaff an den Seiten herunter. Sie scheint nicht zu atmen. Der Bademantel ist nasser als zuvor, nun aber von Schweiß statt von Duschwasser. »Es tut mir leid«, flüstere ich. »Ich habe versucht, es dir zu erklären.«
    »Ich will mit ihm sprechen«, sagt sie mit toter Stimme.
    »Was?« Ich trete so weit zurück, daß ich ihr in die Augen sehen kann.
    »Ich will über den Computer mit Berkmann sprechen.«
    »Das lasse ich nicht zu.«
    »Ich habe dein letztes Gespräch mit ihm gelesen«, sagt sie. »Im Blauen Raum. Ich will mit ihm sprechen.«
    »Warum, wenn du diesen Scheißdreck gelesen hast?«
    »Kannst du dir das nicht denken?«
    »Nein.«
    »Es wird dir schon klarwerden.«
    Ich merke, daß ich sie durchschüttle, als könnte ich ihr auf diese Weise Vernunft einbleuen, aber sie zuckt nicht mal zusammen.
    »Drewe, genau das will er doch! Er hat mir gesagt, du würdest noch heute abend mit ihm sprechen!«
    »Ich weiß.«
    »Warum tust du es also?«
    »Weil es die einzige Möglichkeit ist, ihn zu schnappen.«
    Als ich sie fassungslos anstarre, klingelt das Telefon in meinem Büro. Ich ignoriere es, doch Drewe sagt: »Geh ran. Wahrscheinlich ist es Miles.«
    »Drewe ...«
    »Dann gehe ich ran.« Sie reißt sich von mir los und geht zum Flur. An der Bürotür dränge ich mich an ihr vorbei und greife mir das schnurlose.
    »Leonardo ist da«, sagt Miles mit atemloser Stimme. »Ich habe eine Adresse. Irgendwo zwischen Harlem und Washington Heights.«
    »Was hast du vor?«
    »Ich weiß es noch nicht. Ich habe keine Hausnummer, aber eine Beschreibung, und er hat mir gesagt, in welchem Block es liegt. Es ist ein Lagerhaus, wie ich vermutet habe. Leonardo hat tatsächlich mit Berkmann gesprochen. Die Leute hier glauben, er habe Verbindungen zur Mafia oder sei ein großer Dealer. Sie lassen ihn in Ruhe.«
    »Hast du Baxter angerufen?«
    Miles zögert. »Nein.«
    Mir ist klar, was das bedeutet, aber ich verspüre nicht den Drang, mit ihm zu streiten. »Worauf willst du hinaus?«
    »Ich werde ihn nicht anrufen.«
    Ich sage nichts.
    »Es wäre ganz gut, wenn du Berkmann an seinem Computer halten könntest«, sagt

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