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Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Titel: Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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treffen.« Es fröstelte sie, und sie schaute wieder weg, umschlang sich noch fester und rieb sich mit beiden Händen die Oberarme. »Das ist alles. Kann ich jetzt gehen?«
    Zoë schwieg einen Augenblick und drehte nachdenklich den Kuli zwischen den Fingern. »Ich habe von der Scheidung gehört«, sagte sie schließlich. »Mum und Dad haben nichts gesagt, aber hier in der Stadt hört man so einiges, nicht wahr? Es hat mir leidgetan.«
    »Ja. Gut. Das ist jetzt lange her.«
    »Wenn ich fragen darf – warum hast du ihn verlassen?«
    »Hab ich nicht. Er hat mich verlassen.«
    Zoë hörte auf, mit dem Stift zu spielen. » Er hat dich verlassen?«
    »Ja. Vor mehr als anderthalb Jahren.«
    Zoë wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie studierte ihre Schwester – studierte sie wirklich: eine attraktive Frau, die auf die vierzig zuging, aber keine atemberaubende Schönheit. Ihr Haar hatte die hellblonden Strähnen der Kindheit verloren und war gröber geworden. Die Kleidung unter der Schürze war hübsch, aber oft getragen und verschlissen. Sie arbeitete als Putzfrau – als Putzfrau und als Hausverwalterin für einen Porno-Produzenten. Julian hatte sie verlassen, und sie zog Millie allein groß. Aus dem Nichts brandete eine gewaltige, furchtbare Welle in Zoë heran, das überwältigende Bedürfnis, aufzustehen und ihre Schwester zu umarmen.
    Sie hustete. Strich sich das Haar aus den Augen.
    »Okay.« Sie schob Sally das Protokoll hinüber. »Unterschreib einfach, und dann kannst du gehen. Ich hab ja gesagt, es dauert nicht lange. Oder?«

10
    Als Sally gegangen war, saß Zoë da und starrte ins Leere. Erst nach zehn Minuten schüttelte sie sich und fing wieder an, über Lorne und Goldrab nachzudenken.
    Als Erstes verteilte sie ein paar Aufgaben an ihre Detective Corporals. Dann sah sie ihre Nachrichten durch, checkte ihre E-Mails und veranlasste, dass David Goldrab als »vermisst« gemeldet wurde. Wenn er wirklich tot war, blieb die Frage: warum? Wenn er bei Lornes Tod die Hand im Spiel gehabt hatte, war er dann vielleicht deshalb umgebracht worden? Aus Rache? Etwa von Lornes Dad? Oder hatte Goldrab gewusst, wer Lornes Mörder war, und war gestorben, weil er gedroht hatte zu verraten, was er wusste? Oder – mit dieser Möglichkeit hatte sie zu kämpfen – Lornes Beziehung zur Porno-Industrie war in Wirklichkeit mit dem Besuch bei Holden’s Agency zu Ende gewesen, und Goldrabs Verschwinden hatte mit all dem nichts zu tun. So oder so, sie würde erst dann Ruhe finden, wenn sie sicher wäre, dass er tot war – wenn sie seine Leiche auf dem Tisch im Leichenschauhaus gesehen hätte, von oben bis unten aufgeschnitten, wie Lorne es gewesen war. Vielleicht würde dieses schreckhafte Ding in ihr dann ein Stückchen zurückrollen. Sie in Frieden lassen.
    Aber was war mit Sally? Mit all dem, was ihnen in ihrer Vergangenheit passiert war? Was würde diesen giftigen Stachel zum Verschwinden bringen? Eine Entschuldigung? Sie rieb sich die Fingerknöchel. Wie zum Teufel entschuldigte man sich denn für so etwas?
    Eine neue Nachricht erschien auf ihrem Bildschirm; sie kam von der Hightech-Einheit, der es in weniger als zwei Stunden gelungen war, das Administrator-Passwort der Videoüberwachung zu knacken und das Bildmaterial von der Vorderseite des Hauses zu analysieren. Hastig las sie die Mail: Das Team hatte keine Aufnahmen gefunden, die zeigten, dass Goldrab das Haus am Donnerstag verlassen hatte. Er war morgens bei den Pferdeställen gewesen und um zehn zurückgekommen, und danach hatte die Überwachungskamera ihn nicht noch einmal gesehen. Das hieß, er musste durch den Nebenausgang verschwunden sein, den die Kamera nicht erfasste. Was das Team jedoch gefunden hatte, waren fünf Minuten Material von einer ernsthaften Auseinandersetzung, die am selben Tag gegen fünfzehn Uhr vor dem Haus stattgefunden hatte. Wieder schloss Zoë die Jalousien und sah sich die Video-Ausschnitte an, die als E-Mail-Anhang mitgekommen waren. Ein sonnengebräunter junger Mann, der neben einem Jeep versuchte, Armbrustbolzen auszuweichen. Jake the Peg, der da herumhopste wie ein Äffchen auf glühenden Kohlen.
    Jake, dachte sie und klopfte mit dem Fingernagel an den Monitor. Jake the Peg. Sally hat recht gehabt, du ungezogener Junge.

11
    Jake the Peg wohnte an der Straße von Bath nach Bristol, und sein Haus sah nicht aus, als ob es einem Pornostar gehörte. Abgesehen von einer kleinen Überwachungskamera, die auf den Jeep gerichtet war, der draußen

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