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Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Titel: Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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schwöre« – er hob beide Hände –, »ich würd’s Ihnen sagen.«
    »Noch andere?«
    »Nein.«
    Zoë tippte die letzten paar Worte, sicherte ihren Text, schaltete das Telefon ab und steckte es in die Tasche. Sie nahm sich einen Augenblick Zeit, um sich zu sortieren, und dann beugte sie sich ihm entgegen und stützte die Ellenbogen auf die Knie.
    »Was ist?«
    »Ich habe immer noch ein Problem, Jake. Ich meine, schau mir in die Augen und sag mir, ich sehe aus, als wäre ich überzeugt, dass du nichts mit Goldrabs Verschwinden zu tun hast.«
    »Was reden Sie da?«
    »Keiner von diesen Namen hilft dir aus der Patsche. Oder?«
    »Aber ich hab ein Alibi für den Nachmittag. Und das ist gut.«
    »Das kommt auf die Perspektive an. Wer ist es? Angel? Der würde eine Jury sicher überzeugen.«
    Jake lächelte sie verschlagen an, und der Diamant in seinem Schneidezahn funkelte, als sei seine Genugtuung so groß wie schon seit Jahren nicht mehr. »Das ist die leichteste Frage, die Sie mir bisher gestellt haben, Schwester. Ich hab mir die Jeans zerrissen, als David auf mich geschossen hat. Als ich das gesehen hab, bin ich geradewegs in die Stadt gefahren und hab mir ’ne neue gekauft. Bei River Island. Die Verkäufer werden sich an mich erinnern, und ganz bestimmt haben sie da auch Videoüberwachung.«
    »Aber als Alibi reicht das nicht, denn natürlich wissen wir nicht genau, wann Goldrab verschwunden ist. Wahrscheinlich irgendwann an diesem Nachmittag, denn seine Mutter konnte ihn abends telefonisch nicht erreichen. Aber sicher sind wir nicht. Du könntest noch mal zurückgekommen sein, um ihn dir vorzunehmen. Sagen wir, gegen sechs, sieben Uhr.«
    »Ist auch okay. Gleich nachdem ich die neue Jeans gekauft hatte, bin ich ins Kino gegangen. Mit Freunden. Ich habe mit Kreditkarte bezahlt, und wir waren zu sechst. Und den Rest des Abends haben wir im Slug in der George Street verbracht. Wo immer David Goldrab an dem Abend war, und mit wem auch immer er sich getroffen hat – ich war es nicht. Aber das ist alles egal, was?«
    Zoë zog die Brauen hoch. »Wirklich?«
    »Ja.« Er lächelte selbstgefällig. »Denn David ist nicht umgebracht worden. David – der clevere, verfickte Mr. Goldrab? O nein, der doch nicht. Er hat sich selbst verschwinden lassen.«

12
    Die Luft über dem Feld war voll von weißen Schmetterlingen. Wie kleine Feen schwebten sie im Wind, wehten an Sallys Gesicht vorbei, verdunkelten das Sonnenlicht, landeten auf ihren Schultern und Händen. Zur Rechten konnte sie Umrisse sehen, undeutlich in diesem weißen Getümmel. Sie waren wichtig, das wusste sie instinktiv, und sie ging darauf zu und beschirmte ihr Gesicht mit den Händen vor den Insekten. Die erste Silhouette war groß, hoch, eine riesige, bewegliche weiße Masse. Ein Auto, sah sie, als sie näher kam – in dem Gewimmel konnte sie die Außenspiegel und die Scheinwerfer erkennen. Sie klatschte in die Hände, und die Schmetterlinge stiegen auf wie eine Wolke, wirbelten flatternd herum. Die Motorhaube unter ihnen war schwarz und glänzend, und Sally erkannte, dass es Steves Audi war. Und das hieß, dass die Gestalt, die drei Schritte weit entfernt am Boden lag, umhüllt von einem weißen Kokon, David Goldrab war.
    Ihr Herz fing an zu klopfen; wie eine riesige Trommel erfüllte es ihre Brust. Sie tat ein paar Schritte, trat knirschend auf die Schmetterlinge und zermalmte ihre Körper unter ihren Sohlen. David lag reglos auf dem Rücken, die Arme auf der Brust verschränkt wie in einem Sarkophag, und Schmetterlinge bedeckten sein Gesicht. Sally wollte nicht näher herangehen, aber sie wusste, dass es sein musste. Als sie ihn erreicht hatte, ging sie neben seinem Kopf in die Hocke, obwohl jeder Instinkt sie davor warnte, und sie streckte die Hand nach ihm aus.
    Die Gestalt bewegte sich. Sie rollte zu ihr herum und richtete sich auf. Eine Hand schoss vor und packte sie. Die Schmetterlinge flatterten von dem Gesicht auf, und es war gar nicht David. Es war Zoë, die da saß und Sally flehentlich anschaute, als sei sie auf dem Grund eines sehr tiefen Loches und Sally das einzige Licht, das sie sehen konnte.
    »Sally?« Die Hand schüttelte sie. »Sally? Wach auf.«
    Sie schlug sich die Hände vors Gesicht. »Was ist?«, murmelte sie.
    »Du hast geweint.«
    Sie öffnete die Augen. Es war dunkel im Zimmer, und der Wecker auf dem Nachttisch verbreitete nur einen matten Schein. Drei Uhr. Steve lag neben ihr und hatte ihr eine Hand auf die Schulter gelegt. Sie

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