Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill
Stadt.« Sie deutete mit dem Finger an ihre Schläfe und bewegte ihn im Kreis. »Er hat ’ne Schraube locker, weißt du.«
»Ich glaube nicht, dass ich ihn schon gesehen habe.«
»Der Typ, von dem die Leute sagen, er war im Irak? Und jetzt hat er ein Stück Metall im Kopf? Du kannst Nial fragen, der kennt die ganze Geschichte. Ich und die anderen, wir sind da früher hingegangen, weißt du, damals, wenn wir Langeweile hatten, aber wenn er Metall im Kopf hat, heißt dass, dass er verrückt ist, und deshalb haben wir damit aufgehört. Peter und die andern nannten ihn Metalhead.«
Metalhead . Wer das war, wusste Sally. Kelvin Burford. Er war im selben Kindergarten gewesen wie sie und Zoë. Kelvin war ein komisches kleines Kerlchen gewesen; er war immer aufgezogen worden. Nach dem Kindergarten hatte sie ihn nicht mehr oft gesehen; er war auf eine der Schulen auf der anderen Seite von Bath gegangen, und sie hätte ihn völlig vergessen, wenn sie nicht im Bath Chronicle von ihm gelesen hätte – wie er zum Militär gegangen und wie er im Irak von einem Sprengsatz beinahe getötet worden war. Mit einer Stahlplatte hatte man Teile seiner Schädeldecke ersetzt, und obwohl die Ärzte angenommen hatten, er werde wieder ganz genesen, hatte die Army ihn nicht zurückgenommen, weil sie sagten, er sei verrückt geworden. Er redete nur von Alpträumen und von Leuten, denen der Schädel weggeblasen wurde. Als sie gelesen hatte, dass er in eine Explosion geraten war, hatte sie Mitleid mit ihm bekommen und sich ab und zu sogar gefragt, wie es ihm wohl ging. Aber Kelvin Burford … wenn er der Mann in dem Cottage war? Der Mann, der die Lippenstiftworte in den Wagen geschmiert hatte? Sie wusste nicht, ob das eine gute Nachricht war oder eine schlechte.
»Und an dem Tag, als ich dort gearbeitet habe, hast du da mit ihm gesprochen? Mit Metalhead?«
»Das hab ich doch gerade gesagt.«
»Was hast du ihm denn erzählt? Doch nicht, warum du dort warst, oder?«
»Nein, ich hab nur Hallo gesagt und so. Und dass meine Mum bei dem Goldkettenmann arbeitet.«
»Weiß er, wie du heißt? Wo du wohnst?«
»Ich bin nicht komplett bescheuert, Mum. Ich war in seinem Garten, er hat mir die Fasanenküken gezeigt, und fertig. Dann bin ich zurückgekommen. Ich durfte ihnen Häubchen aufsetzen, und das war ziemlich cool. Trotzdem wollte ich nichts mit dem Typen zu tun haben. Er hat ein Mädchen in Radstock angefallen und war dafür im Gefängnis. Darum hab ich dir nicht erzählt, dass ich da war. Ich dachte mir, dass du austickst.« Sie senkte das Kinn und musterte ihre Mutter. »Und ich hatte recht.«
»Zieh dich an, Millie.« Unwillkürlich überlief Sally ein Frösteln. »Ich fahre dich in die Schule.«
26
Sally brachte es nicht über sich, noch einmal auf Davids Parkplatz zu parken. Es war, als könne das Blut, das unsichtbar im Boden versickert war, auf geheimnisvollen Wegen zu ihrem Auto finden und hinterhältig durch Reifenprofil und Fensterdichtungen ins Polster dringen. Als sie Millie gegen halb zehn an der Schule abgesetzt hatte, parkte sie den Ka deshalb zwanzig Meter vorher versteckt in einer kleinen Ausweichbucht.
Langsam stieg sie aus, streckte sich und blieb mit dem Rücken zum Wagen stehen, um den Blick über die Umgebung wandern zu lassen. Es war ein klarer Tag; nur über dem Horizont standen ein paar Wolken. Die Reihe der Eiben am fernen Nordrand des Grundstücks um Lightpil House stach vom Himmel ab. Rechts waren die bemoosten Dachpfannen auf dem Cottage des Jagdhüters gerade noch sichtbar hinter den Bäumen, die sich ins Tal hinunterzogen.
Sie ging am Rand von Davids Grundstück entlang, bis die Mauer aufhörte und eine Hecke begann. Sie spähte hinüber und sah, umgeben von Rotbuchen und schiefen Pappeln, vor sich das Cottage. Klein, aus Feldsteinen gemauert, ein typisches Arbeiterhäuschen aus dem 18. Jahrhundert mit einem tief heruntergezogenen Ziegeldach und Kaminen. Der Garten war eine Wildnis, zugewuchert und voller Müll. Ein gelber Fiat mit einem verschossenen Segeltuchdach parkte mit der Nase in einer eingestürzten Scheune. Ein paar verrostete, lange nicht mehr benutzte Hühnerkäfige stapelten sich hinten an der Hecke, und mitten auf der wuchernden Wiese lag ein alter Rasenmäher auf der Seite neben einer Rolle Hühnerdraht. Hinter dem Haus stand ein großer Mühlenschuppen. Vielleicht wurden da die Fasane gezüchtet. David hatte von seinem Wildhüter gesprochen, aber sie hatte nicht mehr daran gedacht, bis
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