Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill
Küchentür. Ihre Hände zitterten, und sie hielt das Beil umklammert.
»Alles okay«, sagte Zoë. »Hier ist niemand.«
Sallys Blick huschte durch den Hauswirtschaftsraum. Sie biss die Zähne zusammen und sah aus, als sei sie zum Zerreißen angespannt.
»Leg das Beil hin«, sagte Zoë. »Leg es hin.«
Langsam ließ sie das Beil sinken. »Das ist ihrer«, sagte sie und starrte den Pullover an, den Zoë in der Hand hielt. »Sie hat nur diesen. Ohne ihn wird sie frieren.«
Zoë hielt ihr das Handy entgegen. »Und das?«
Sally beugte sich vor, um es anzusehen. Sie zuckte zusammen, als sie sah, was es war, und schloss die Augen, und sie streckte eine Hand zur Wand aus, als werde sie gleich in Ohnmacht fallen.
»Sally? Sally ? Komm – reiß dich zusammen.«
45
Sally blinzelte. Sie sah das Gesicht ihrer Schwester dicht vor sich. Das kleine Hauswirtschaftszimmer hinter ihr verschwamm. Sie dachte an Millie auf der Tarotkarte, Millie mit dem verwischten, verschmierten, zerstörten Gesicht. »Es tut mir leid«, sagte sie, und ihre Stimme klang unendlich weit weg. »Es tut mir leid. Ich hab’s völlig vermasselt.«
»Ruf Nial an.«
Isabelle hatte recht gehabt; die Tarotkarte war eine Warnung, aber es war nicht um Jake gegangen, sondern um das hier: Vor diesem Abend war sie gewarnt worden.
»Hey«, zischte Zoë. »Hast du gehört? Du sollst ihn anrufen.«
»Ja. Ja.« Sie zerrte ihr Telefon aus der Tasche und versuchte zu wählen, doch ihre Finger wollten ihr nicht gehorchen. Sie schienen meilenweit weg zu sein – viele Meilen weit weg, als wären ihre Arme sehr lang.
»Gib her.«
Zoë riss ihr das Telefon aus der Hand, schaltete den Lautsprecher ein und wählte Nials Nummer. Der Rufton klang fern und einsam wie ein Teil der unsichtbaren dunklen Welt da draußen, der durch diesen winzigen Kanal zu ihnen drang. Diesmal nahm niemand den Ruf an. Es klingelte vier Mal. Fünf Mal. Dann schaltete sich die Mailbox ein.
Zoë schüttelte den Kopf. Sie schaltete den Telefonlautsprecher ab und wählte die Nummer noch einmal, aber diesmal steckte sie das Telefon in die Tasche und presste es fest an ihre Hüfte. Sie tat einen Schritt hinaus auf die Terrasse und richtete den Blick fest auf die Bäume.
»Was ist?«, fragte Sally leise. »Was machst du da?«
Zoë legte einen Finger an den Mund. »Hör doch.«
Sally kam zu ihrer Schwester und lauschte in die atemlose Nacht hinaus. Jetzt hörte sie es auch – ein Telefon klingelte leise in der Dunkelheit, irgendwo weit hinter den Bäumen am Ende des Gartens. Aber gerade, als sie dachte, sie habe die Richtung identifiziert, hörte es auf. Wieder die Mailbox. Sofort zog Zoë das Telefon aus der Tasche und wählte noch einmal. Wieder wehte das gespenstische Klingeln durch die Dunkelheit heran.
»Pollock’s Farm«, murmelte Zoë.
Sally sank noch mehr in sich zusammen. Sie dachte an das endlose verlassene Ackerland, die verrosteten Landwirtschaftsmaschinen, an den Steilhang und das einsame Haus an seinem Fuße, wo ein Mann Woche um Woche gelegen hatte und langsam verwest war. »O Gott, nein«, flüsterte sie. »Sie sind da. Nicht wahr?«
»Komm, wir gehen.«
Sie warfen noch einen Blick in die Garage und fanden eine große Handlampe mit gummibezogenem Griff, wie Steve sie für Sally gekauft hatte – eine halbe Ewigkeit schien seitdem vergangen zu sein. Zoë schaltete sie ein, um zu sehen, ob die Batterie noch gut war, und ein blendend weißer Lichtkreis ließ die beiden Frauen blinzeln. Mit einem Segeltuchgurt hängte Zoë sich die Lampe um den Hals, und dann gingen sie umher und sammelten ein, was sie tragen konnten. Zoë hatte den Hammer im Gürtel, das CS -Gas in der Gesäßtasche und einen großen Vorschlaghammer, mit dem man Zaunpfähle in den Boden schlug, in der rechten Hand. Sally hatte einen Meißel in der Jackentasche und das Beil in der Hand. In der anderen hielt sie eine Kindertaschenlampe, die mit einem Dynamo betrieben wurde. Sie konnte ihr Zähneklappern nicht unterdrücken, und ihre Knochen waren weich wie Wachs; sie hätte alles dafür gegeben, sich einfach hier auf dem Boden zusammenzurollen und so zu tun, als passiere das alles gar nicht. Aber wenn man das Denken nicht ertragen konnte, musste man handeln. In Bewegung bleiben.
Sie machten sich auf den Weg zu dem Bauernhof. Zoë ging mit geradem Rücken voran, und der Strahl der großen Lampe flirrte zwischen den Bäumen hindurch, die sich über den Weg bogen und ihre Äste über ihnen zusammenschoben. Auf
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