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Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Titel: Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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der linken Seite erstreckte sich dieser Wald bis Hanging Hill, auf der rechten reichte er fast eine Meile weit bis zu den Vororten von Bath mit ihren Wohnhäusern, Sportplätzen und einem Rugby-Club, dessen geisterhaft weiße Torpfosten über die Hecke ragten. Als der Wald lichter wurde, blieben die Frauen stehen. Zoë knipste die Lampe aus, und sie standen stumm da und betrachteten das, was vor ihnen lag. Die Felder waren heller als der Wald, und die welken Überreste der letzten Ernte lagen wie ein Dunst auf dem Land. Hier und da lagen die Schatten ausrangierter Landmaschinen und ausgebrannter Autokarosserien. Am hinteren Ende hoben sich die dunklen Umrisse alter, verfaulender Silage-Ballen vor dem Horizont ab, stumm und still wie schlafende Ungeheuer. Dahinter, unsichtbar für jeden Ahnungslosen, war der Steilhang zum Steinbruch.
    Zoë zog das Telefon aus der Tasche und wählte die Nummer noch einmal. Diesmal war das Klingeln viel lauter, und woher es kam, war klar. Das Telefon klingelte hinter den Silage-Ballen. In dem Steinbruch, wo Pollocks Haus stand.

46
    Der Mond befreite sich von seiner Wolkendecke, als sie das Ackerland überquerten, und einen Moment lang war es so hell, als ständen sie unter einem riesenhaften Scheinwerfer, zwei einsame Gestalten, die im Gehen lange blaue Schatten warfen. Abgestorbene Getreidehalme raschelten unter ihren Füßen. Sie gingen durch das Gatter am oberen Rand des Steinbruchs und stützten sich mit den Händen an den Bäumen ab, um das Gleichgewicht zu behalten, als sie auf dem Zickzackpfad durch das dichte Gehölz den Steilhang hinunterstiegen. Unten angekommen, blieben sie stehen. Der Talboden erstreckte sich still und ruhig vor ihnen. Rechts stand das Haus. Es lag im Dunkeln, aber das Mondlicht beleuchtete seine Umrisse und spiegelte sich in den zerbrochenen Fenstern im Obergeschoss.
    Wieder wählte Zoë Nials Nummer. Es dauerte eine Weile, dann klickte es, und die Verbindung war da. Diesmal war das Klingeln so nah, dass sie beide zusammenzuckten. Es kam aus dem Haus und wehte durch die kalte Luft wie ein Flehen. Es klingelte fünf, sechs Mal, dann schaltete sich der Anrufbeantworter ein.
    »Los«, flüsterte Zoë. »Weiter.«
    Sie gingen hintereinander und mit gesenktem Kopf weiter. Die Rückseite des Hauses war nur wenige Schritte von der Felswand des Steinbruchs entfernt – als sei es von oben heruntergefallen und wundersamerweise hier unten aufrecht gelandet. Es war verputzt und hatte ein Dach, doch seit Zoë das letzte Mal hier gewesen war, war es von Speedjunkies benutzt worden, und jetzt sah es aus, als hätte die Army es für Manöverzwecke gebaut: Die Türen waren bis auf das Mauerwerk herausgerissen, und auf dem rissigen Zementboden, auf dem es stand, glitzerte eine große Regenpfütze, aus der Unkraut wuchs. Alles war mit Graffiti übersät, sogar die Felswand dahinter. In manchen Fenstern waren Gitter, aber die meisten waren herausgebrochen und lagen verrostet auf dem Boden.
    Die beiden Frauen gingen an der Seite des Hauses mit dem Rücken zur Wand in die Hocke, und Zoë wählte die Nummer noch einmal. Sie hielten den Atem an und lauschten. Das Klingeln kam aus dem Erdgeschoss, irgendwo aus dem hinteren Bereich. Zoë drückte die rote Taste und steckte das Telefon wieder ein. Sie hielt den Atem an und spitzte die Ohren. Jetzt hörte sie noch etwas anderes, und es kam aus dem gleichen Teil des Hauses. Es war das Geräusch, dieses rhythmische Geräusch, das sie am Telefon gehört hatten. Als werde etwas Weiches gegen hartes Glas geschlagen.
    Sie wischte sich über die Stirn. »Herrgott noch mal.«
    »Hey«, flüsterte Sally unvermittelt, »wir müssen weiter.«
    Zoë warf ihr einen kurzen Blick zu. Sallys Blick war klar und ihr Gesicht bemerkenswert gefasst, was Zoë ein wenig Kraft gab. Es dauerte einen Moment, aber dann nickte sie und nahm den Hammer und die Lampe. »Komm.«
    Zusammen schlichen sie am Haus entlang, und an der Ecke blieben sie stehen, nur drei Handbreit neben der Haustür. Zoë lehnte den Hinterkopf an die Mauer, atmete ein paarmal tief durch, kreiselte dann um die Ecke und schob den Kopf durch die Tür. Sofort wich sie wieder zurück.
    »Ist da was?«
    Zoë schüttelte den Kopf. »Aber ich kann nicht gut sehen«, flüsterte sie. »Ist zu dunkel. Ich muss die hier benutzen.« Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, schaute nach unten und legte den Bereitschaftsschalter der Lampe um. »Das wird jeden blenden, der da drin ist. Allerdings

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