Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Titel: Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
Vom Netzwerk:
sie entspannt beschreiten konnte. Sie konnte sich fallen lassen und darauf hinabgleiten. Es wäre bequem: Die Angst würde verschwinden. Aber es wäre keine Lösung. Irgendwann würde das zu der gleichen Passivität führen wie damals bei Julian.
    »Nein«, sagte sie mit einiger Anstrengung. »Nein. Vielen Dank, aber – nein. Ich muss selbst einen Ausweg finden. David wird mir zusätzliche vierhundertachtzig im Monat zahlen; es wird also eine Weile dauern, aber ich werde es schaffen. Ich hab mir ein Heimwerkerbuch aus der Bücherei geliehen; vielleicht kann ich ein paar Sachen am Haus selbst reparieren. In der Garage ist ein bisschen Werkzeug, das die letzten Eigentümer zurückgelassen haben, und was ich sonst brauche, kann ich von Isabelle ausleihen.«
    »Okay.« Er lächelte. »Und was du von ihr nicht kriegst, leihe ich dir. Alles, was du brauchst.«
    Sie lächelte matt. »Danke«, sagte sie. »Danke.«
    Steve stand auf und ging zum Kühlschrank, um den Wein zu holen, aber sie konnte nicht so einfach einen Schlussstrich ziehen. Sie legte den Kopf zur Seite, schob ihr Weinglas auf dem Tisch hin und her und sah zu, wie die feuchten Kringel sich immer wieder überkreuzten.
    »Steve?«, fragte sie, als er sich wieder hinsetzte.
    »Ja?«
    »Weißt du, heute Morgen, als du von David Goldrab gesprochen hast …?
    Seine Miene verfinsterte sich, und er rieb sich nachdenklich das Kinn mit einem Fingerknöchel. »Ja. Ich erinnere mich.«
    »Was hast du damit gemeint, als du gesagt hast, es ist reine Glückssache, dass er nicht schon vor Jahren eingesperrt worden ist? Weshalb hätte man ihn ins Gefängnis sperren sollen?«
    »Ach, Sally. Bist du sicher, dass du das alles wissen willst?«
    »Ja. Ich habe morgen meinen ersten Tag bei ihm, und, ehrlich gesagt, bin ich nervös. Ich kann nicht mehr so weitermachen. Ständig vor mich hin träumen, ohne das Naheliegende mitzukriegen. Immer bin ich die Letzte, die etwas erfährt. Bitte …«
    Steve schüttelte den Kopf. »Okay. Tja, hauptsächlich ist Goldrab Pornoproduzent.«
    »Pornoproduzent? Was bedeutet das? Er macht Hefte?«
    »Vor allem Videos. Die man im Internet downloaden kann.«
    »Pornoproduzent? Bist du sicher?«
    »Leider. Hundertprozentig.«
    Überrascht stellte sie fest, dass sie nicht allzu schockiert war. »Du liebe Güte – ich hab den ganzen Tag gedacht, er ist ein richtiger Verbrecher.«
    Steve lachte trocken. »Er ist ein richtiger Verbrecher, ein richtiger, lebendiger Verbrecher. Einer der reichsten Pornoproduzenten im ganzen Land, und das will was heißen, weil wir einer der wenigen Staaten auf der Welt sind, die keine blühende Pornoindustrie haben. Er lebt davon, junge Frauen – und manche sind nicht mal Frauen, sondern eher noch Mädchen – zu überreden, Dinge zu tun, die sie ihr Leben lang bereuen. Bevor es mit dem Internet losging, hat er einige Zeit im Kosovo verbracht und dort illegale Pornos gedreht, die er dann ins Land schmuggelte. Und ich rede von wirklich scheußlichem Zeug. Tiere, Bondage – was du willst. Dabei haben Menschen gelitten, das kann ich dir garantieren. Himmel noch mal, ich will jetzt gar nicht moralisch werden. Ich bin ein Mann aus Fleisch und Blut, und ich behaupte nicht, dass ich mir noch nie einen Porno angesehen habe. Aber glaub mir, viele der Frauen, die er dazu benutzt hat, hatten keine Wahl. Sie hatten nicht die Freiheit, sich zu entscheiden. Schon gar nicht die auf dem Balkan.«
    Sally saß schweigend da und musste das alles erst einmal verdauen. Sie begriff, was Sache war und welche Konsequenzen das für sie unterschwellig hatte: Wenn sie für einen solchen Mann arbeitete, machte sie sich irgendwie zu seinesgleichen, zu seiner Komplizin. All diesen Überlegungen zum Trotz wusste sie jedoch, dass sie nicht aussteigen würde. Sie brauchte das Geld. »Ich bin wohl in einer ziemlich verzweifelten Lage, wenn ich für so jemanden arbeite.«
    Steve streckte die Hand aus und strich ihr eine Haarsträhne hinter das Ohr. »Liebste, wir sind alle in einer verzweifelten Lage. Wir alle müssen Dinge tun, auf die wir nicht stolz sind. Das ist einfach der Lauf der Welt.«

22
    Weil es regnete, nahm Zoë den Mondeo. Sie parkte vor dem verschlossenen Tor zu Sydney Gardens und zwängte sich durch die Büsche hinein. Der Park war offiziell geschlossen, aber inoffiziell war jetzt Geschäftszeit. Überall sah sie junge Männer herumlungern; lässig standen sie da mit den Händen in den Taschen oder an einen Baum gelehnt. Ein paar hatten

Weitere Kostenlose Bücher