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Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Titel: Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Plastikblumen verziert hatte. Sie trug enge schwarze Leggings, ein T-Shirt und rote, hochhackige Slipper, und sie saugte an ihrer Zigarette, als brauchte sie das Nikotin so sehr, dass sie das Ding am liebsten ganz geschluckt hätte.
    »Jacqui?«
    »Ja? Was?«
    »Polizei.«
    »Ach ja?«
    »Haben Sie einen Augenblick Zeit?«
    »Denk schon.«
    Jacqui kickte einen flauschigen pinkfarbenen Zugluftdackel zur Seite und hielt die Tür auf. Zoë trat ein. Es war heiß; die Zentralheizung war aufgedreht, obwohl Frühling war. Sie folgte der Frau durch das Haus nach hinten in die Küche. Dort war es hübscher als draußen; an den Fenstern hingen Spitzengardinen, auf der Arbeitsplatte stand ein Becherbaum, die Geschirrtücher passten zusammen, und auf dem Kühlschrank stand eine Pyramide aus Keksdosen. Das Einzige, was fehl am Platz wirkte, war ein schwarzgelber Behälter für Injektionsspritzen.
    »Insulin«, sagte Jacqui. »Ich bin Diabetikerin.«
    »Wirklich?«
    »Wirklich. Jetzt machen Sie es sich bequem, Herzchen, und ich setze mal Teewasser auf, denn Sie werden ein Weilchen hier sein.«
    »Was soll das heißen?«
    »Sie werden hier sitzen und mir drohen, Herzchen, und ich werde immer wieder von vorn anfangen und Ihnen erklären, dass ich kein Bordell betreibe. Dass das, was ich hier mache, nicht illegal ist. Dass Sie das, was die Mädels hier tun, als obszön oder anstößig definieren müssen. Sie sind von der Polizei, aber Sie haben keine Ahnung.« Lächelnd schaltete sie den Wasserkocher ein und warf Teebeutel in zwei Becher. »Ich mein’s nicht persönlich, Herzchen, aber seit sie die spezialisierten Cops abgeschafft haben – die für die Straßenkriminalität –, stecke ich euch Muppets von der Kriminalpolizei doch mühelos in die Tasche. Schade. Ich hatte ’ne Menge Freunde in dem Team.«
    Zoë hatte keine Lust, auf das Kleingedruckte im Gesetz zur Bekämpfung von Sexualstraftaten einzugehen. Aus eigener Erfahrung war sie mit der früheren Gesetzgebung nur allzu gut vertraut – und vieles davon war in Stein gemeißelt in ihrem Herzen aufbewahrt –, aber im Laufe der Jahre waren diese Kenntnisse in Vergessenheit geraten. Vieles von dem, was mit Lapdance-Clubs zu tun hatte, wurde durch Kommunalverordnungen geregelt, und 2003 war ein umfassendes neues Gesetz erlassen worden, das viele der alten Richtlinien über den Haufen warf. Die einzige Passage des neuen Gesetzes, die sie textsicher zitieren konnte, betraf die Körperverletzung durch Penetration mit einem Gegenstand – und die kannte sie nur aus den Diskussionen in der Einsatzbesprechung, als es darum ging, nach welchem Gesetz Lornes Mörder vor Gericht gestellt werden könnte. Gegen die abgebrühte Jacqui hätte sie keine Chance.
    »Ich hab’s wieder und wieder durchgekaut. Der springende Punkt ist, dass in diesen Räumen keine sexuelle Befriedigung stattfindet.« Sie stach mit einem runzligen Finger auf die Tischplatte. »Das kann ich Ihnen garantieren. Wenn es zu irgendeiner sexuellen Befriedigung kommen sollte, dann nicht hier. In New York, in Peru, verdammt, von mir aus in Dunstable. Was weiß ich.«
    Zoë hob den Kopf und schaute zur Decke, und sie stellte sich da oben ein Labyrinth von Zimmern vor. »Wie läuft es denn ab?«
    »Sie sind ›Chat-Hostessen‹. Das ist alles. Sie sitzen vor einer Webcam und ›chatten‹ – oder tun, wozu sie sonst Lust haben, wenn Sie verstehen. Sie wenden sich an den anspruchsvollen Gentleman, der von asiatischen Mädels genug hat. Nicht ganz billig, aber man kriegt was für sein Geld. Zwei Dollar die Minute. Nicht, dass ich einen Penny davon zu sehen kriege. Denn das hier ist kein Bordell. Mein Geschäft ist die Vermietung von Equipment und Internetanschluss. Was sie damit machen, geht mich gar nichts an.« Sie stellte einen Teebecher auf den Tisch. »Bitte sehr, Herzchen. Trinken Sie mal. Sie sehen aus, als könnten Sie es gebrauchen.«
    »Sind sie jetzt da oben?«
    »Nur eine. Unsere Hauptkundschaft sitzt in Lateinamerika und in Japan.« Sie schaute auf die Uhr. »Lateinamerika ist jetzt im Büro und lässt sich nicht gern mit heruntergelassener Hose vom Chef erwischen, und Japan? Na, da wachen sie gerade auf. Da sind sie erst in zwölf Stunden am geilsten. Also?« Sie lächelte Zoë freundlich an. »Über welchen Paragraphen möchten Sie diskutieren? Wissen Sie, ich« – sie legte die Hand mit der brennenden Zigarette an die Brust –, »ich liebe es, meine Meinung zu sagen. Ich sollte in einer Talkshow im

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