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Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Titel: Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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»Kennen Sie auch nicht?«
    »Nein.«
    »Da geht’s nur darum, die Frau zu demütigen. Angeblich war es eine alte japanische Sitte – was sie da mit den Weibern gemacht haben, wenn sie sie beim Fremdgehen erwischten. Die Männer des Dorfes führten sie hinaus und gruben sie bis zum Hals ein. Aber statt sie zu steinigen …« Sie brach ab und lächelte hässlich. »Nein, Sie sind die Polizei, Sie können es selbst rausfinden. Jedenfalls hat er darauf sein Imperium aufgebaut. Bukkake – je scheußlicher, desto besser. Ich hab ein bisschen davon gesehen. Sah aus wie ’ne Art Snuff Movie, wissen Sie, diese Filme, wo echt Menschen umgebracht werden. Wirklich dreckig. Schmierig. Wenn man es sah, konnte man denken, sie würden das Mädel abschlachten. Aber es hat sich palettenweise verkauft, wirklich Riesenstapel davon. Das gibt einem schon mächtig zu denken, nicht wahr?«
    »Okay«, sagte Zoë und zog dabei das Wort in die Länge. »Und was macht er heute? Wo ist er?«
    »Oh, er ist megareich. Mega-megareich sogar.« Sie wedelte mit der Hand durch die Luft, als rede sie von einem anderen Universum. »Privatjet wahrscheinlich, Dienstboten, das volle Programm. Der ist jetzt ganz oben, Herzchen, und niemand holt ihn da runter.«
    »In welchem Land?«
    »Hier. England.«
    In England. Zoë räusperte sich. Sie hatte soeben beschlossen, sich doch nicht eine Woche freizunehmen. »Sie meinen, hier in der Gegend?«
    »Ich nehm’s an. Und glauben Sie mir, wenn er ein Mädchen wie das da auf Ihren Fotos zu sehen bekäme, würden in seinen Augen die Dollarzeichen aufleuchten. Warum? Was ist denn mit ihr? Ist ihr was passiert?«
    »Seinen richtigen Namen kennen Sie nicht? Nein? Nur London Tarn?«
    Jacqui lachte leise und kehlig. »Nein. Wenn ich wüsste, wie er wirklich heißt, wäre ich längst hinter ihm her. Er hat sich in den Neunzigern einen Zehner von mir gepumpt.« Wieder klopfte sie die Asche von ihrer Zigarette. »Ich meine, das sind fünfzehn Jahre. Von den Zinsen, die er mir schuldet, könnte ich einmal um die Welt fliegen. Losziehen und meinen Kunden in Südamerika Hallo sagen, nicht?«

38
    Die Sonne hatte die nordwärts gewandten Hänge am Rande von Bath schon verlassen. Der Garten des Peppercorn Cottage würde im Dunkeln liegen. Die Felder oben bei Lightpil House allerdings bekamen noch ein klein wenig Licht ab. Zwei oder drei Minuten länger. Die Sonne schmolz auf den Hügel herunter, breitete sich aus, und dann war sie weg und hinterließ nur ein paar graue Wolkenflecken am bernsteingelben Himmel.
    Sally konnte David Goldrabs Leiche nicht wegschaffen; also hatte sie ihren Wagen zurückgesetzt und vor die Einfahrt zum Parkplatz gestellt, damit man den Toten nicht sehen konnte. Nicht, dass jemals irgendjemand hier heraufkam. Sie holte eine Strickjacke aus dem Ka, zog sie an und setzte sich mit hochgezogenen Knien auf die Haube. Was um alles in der Welt sollte sie tun? Die Muskeln in Davids Gesicht waren erstarrt und hatten seine Augen noch weiter aufgerissen, als bestaune er einen Stein, der ein paar Schritte weit vor seinem Gesicht lag. Es war kalt, und sie hörte alles um sich herum, als säßen ihre Ohren auf Stielen: die Hecken, die Felder, die leichte Bewegung des Windes im Gras, das trockene Rascheln eines Vogels im Geäst.
    Nach einer Weile sah sie, dass das Blut an ihren Händen getrocknet war, und sie tat ihr Bestes, um es mit den Fingernägeln abzubröckeln. Sie wischte auch das Telefon am Ärmel ihrer Strickjacke sauber und wählte dann Isabelles Nummer. »Ich bin’s.«
    »Hey.« Kurze Pause. »Sally? Alles okay?«
    »Ja. Ich meine – ich bin …« Sie presste ihre Lippen für einen Moment mit Daumen und Zeigefinger zusammen. »Mir geht’s gut.«
    »Du klingst aber nicht so.«
    »Ich bin ein bisschen … Issie, hast du Millie von der Schule abgeholt, wie du es versprochen hast?«
    »Ja, mit ihr ist alles in Ordnung.«
    »Sie sind nicht weggegangen?«
    »Nein, sie sitzen alle vor dem Fernseher. Warum?«
    »Kann sie heute Nacht bei dir bleiben?«
    »Natürlich. Sally? Kann ich irgendwas tun? Du klingst furchtbar.«
    »Nein, mir fehlt nichts. Ich hole sie morgen früh ab. Und … Issie?«
    »Ja?«
    »Danke, Issie. Für alles, was du bist. Und für alles, was du tust.«
    »Sally, bist du sicher, dass alles in Ordnung ist?«
    »Ja. Ich schwör’s dir. Alles absolut okay.«
    Sie trennte die Verbindung. Ihre Hände zitterten so sehr, dass sie das Telefon neben sich auf die Motorhaube legen musste, um die

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