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Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Titel: Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Fernsehen auftreten. Eines Tages holen die mich schon noch.«
    »Bestimmt. Ganz bestimmt.« Zoë räusperte sich und griff zum hundertsten Mal in ihre Tasche. Sie zog die Fotos von Lorne hervor. »Jacqui. Hören Sie. Ich würde gern mit Ihnen diskutieren. Aber ich bin nicht wegen des Ladens hier, den Sie betreiben.«
    »Betreiben? Vorsicht mit den Vokabeln, die Sie benutzen.«
    »Wegen des Equipments, das Sie vermieten.« Sie rieb sich die Stirn. In dieser Bluse war ihr heiß, sie fühlte sich klebrig an, und Jacquis Tee schmeckte scheußlich. Sie wollte dringend nach Hause und das alles vergessen. »Eigentlich will ich nur wissen, ob dieses Mädchen je auf Ihrem Radarschirm aufgetaucht ist.«
    Sie breitete die Fotos auf dem Tisch aus. Jacqui nahm einen langen Zug aus ihrer Zigarette, blies den Rauch in einem dünnen, geraden Strahl zwischen den Lippen heraus und betrachtete die Fotos mit schmalen Augen in allen Details. Das tut sie nicht zum ersten Mal, dachte Zoë. Wenn sie schon länger im Geschäft ist, hat sie es wahrscheinlich schon oft getan – mit der Polizei über Opfer gesprochen, Opfer von Vergewaltigung, Misshandlung, häuslicher Gewalt. Prostitution, Lap-Dancing, Pole-Dancing. Vor einer winzigen Videokamera und einem Mikro nackt auf einem Bett liegen. All das lebte in einem Hinterland auf der anderen Seite des Gesetzes, dicht an dicht mit Gefahr und Gewalt.
    »Nein.« Jacqui lehnte sich zurück, schloss die Augen und zog wieder an der Zigarette. »Nie gesehen.«
    »Okay.« Zoë schob die Mappe in die Tasche und wollte aufstehen. Sie hatte getan, was sie konnte.
    »Aber …«, sagte Jacqui. »Warten Sie …«
    »Wieso?«
    »Ich weiß, wem sie gefallen würde. Für seine Videos. Er beherrscht den Markt für die jungen Tussis, nicht? Er hat’s gern, wenn sie aussehen wie Teenager.«
    »Von wem reden Sie?«
    »Ich kenne seinen Namen nicht. Jedenfalls nicht seinen richtigen Namen. London Tarn haben sie ihn immer genannt. London Tarn.«
    Zoë ließ sich langsam auf den Stuhl zurücksinken. »London Tarn?«
    »Eigentlich London Town«, erklärte Jacqui. »›Tarn‹ wegen seines Akzents. Londoner East End, wissen Sie, aber er …« Sie brach ab und sah Zoë mit schmalen Augen misstrauisch an. »Was ist los? Sie sehen aus, als hätte Ihnen jemand das Blut aus dem Leib gesaugt. Sie haben schon von ihm gehört, ja?«
    »Nein.« Zoë drückte die Tasche an die Brust und presste die Knie zusammen. »Nein. Ich habe noch nicht von ihm gehört.«
    »Sicher nicht?«
    »Sicher nicht.«
    »Sie haben bloß gerade, als ich seinen Namen nannte – da haben Sie ausgesehen, als ob …«
    »Ich habe noch nie von ihm gehört.« Plötzlich gereizt, fing sie an, mit dem Fuß auf den Boden zu klopfen. Sie war jetzt wieder wach. Hellwach. »Erzählen Sie mir von ihm. Von London Tarn. Er macht Videos?«
    Jacqui zog an ihrer Zigarette und beäugte sie. »Ja. Er ist seit Jahren dabei – muss auf die sechzig zugehen. Angefangen hat er mit schlichten Softpornos. Acht Millimeter. Er hatte auch einen Club – drüben in Bristol, einen von diesen altmodischen Striptease-Läden –, und als der geschlossen wurde, steckte er alles in die Videos. Eine richtige Produktionsanlage hatte er nicht. Ich war einmal bei ihm, und da saß er in einer Wohnung in Fishponds, mit einem Videorekorder hier« – sie streckte die Hand aus – »und einem da und ein paar Drähten dazwischen, und so hat er sie kopiert. Dann hat er sie auf dem Markt verkauft. Sie wissen schon, an einem Stand bei St. Nicholas.«
    »Und danach?«
    »Danach hat er Gonzo gemacht.«
    »Gonzo?«
    »Ja. Videos mit sich selber. Wohlgemerkt, das war in den Neunzigern.« Sie klopfte die Zigarettenasche in den Aschenbecher, schlug die Beine übereinander und machte es sich in diesen Erinnerungen bequem. »Damals hab ich nichts mehr mit ihm zu tun gehabt, das war nach meiner Zeit, aber ich hab die Filme gesehen. Da war er dann in seiner ganzen Pracht mit irgendeinem armen Mädel, das er bequatscht hatte, was weiß ich was zu tun. Um richtiges Licht und das alles hat er sich nie gekümmert, was ich immer unprofessionell fand. Schluderig, wenn Sie meine Ansicht hören wollen. Aber es heißt ja, dass manchen so was gefällt – dieser Look, wissen Sie, mit Warzen und allem. So oder so, verkauft hat es sich. Und dann hat er ziemlich schnell begriffen, was im Internet ging. Das muss man ihm lassen, er war ganz vorn dabei. Und danach kam das Bukkake-Zeug.«
    »Bukkake?«
    Jacqui lachte.

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