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Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Titel: Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Die Anfänge der Stadt am Horizont. Das Land ihrer Kindheit. Die Orte, an denen sie geträumt hatte, und die, an denen sie geweint und Hoffnung und Angst gehabt hatte. All die Täler und Bäche und Lichtungen – überall war sie gewesen und hatte die Zukunft nicht gesehen, die hinter den Bäumen auf sie gelauert hatte.
    Nach einer ganzen Weile drehte er sich um und kam zu ihr zurück. »Was hast du im Wagen? Hast du deine Putzsachen dabei?«
    »Ja.«
    »Gummihandschuhe?«
    »Ja.« Sie öffnete den Kofferraum, wühlte in ihren Putzsachen und förderte ein originalverpacktes Paar zutage. Steve nahm es. Sein Gesicht war bleich und beherrscht. Er riss die Packung mit den Zähnen auf und zog die Handschuhe an.
    » Steve ? Was hast du vor?«
    »Ich habe morgen früh um neun ein Meeting. Das bedeutet, wir haben noch dreizehn Stunden Zeit.«

39
    Sein Plan sei die beste Lösung, erklärte Steve. Aber wenn sie ihn ausführen wollten, müssten sie es schnell tun, und als Erstes brauchten sie Plastikfolie. Sally wusste, dass David eine Menge davon in der Garage lagerte, aber die war an der Seite des Hauses, wo auch die Kamera war, und sie befürchtete, dass sie auf die Videoaufzeichnung geraten könnten. Sie wollte vorher einen Blick auf den Monitor werfen, um festzustellen, was man sehen konnte; also ging sie mit Steve zurück zum Haus. David hatte die Angewohnheit, auch tagsüber Licht brennen und den Fernseher laufen zu lassen, und jetzt, in der anbrechenden Dunkelheit, leuchtete das Haus wie ein Freudenfeuer. Die Halogenstrahler im Wintergarten verbreiteten grelles Licht und warfen die Schatten der großen Kübelpflanzen hinaus in den Garten. Der Eingang zum Hauswirtschaftsraum stand offen, und im Haus plärrte der Fernsehapparat.
    Steve wartete auf der Terrasse und behielt die Straße im Auge, und Sally schlich sich allein hinein. Drinnen war es heiß und stickig, als sei die Heizung weit aufgedreht. Die Luft war still wie in einer Gruft, und selbst in den Zimmern und Korridoren, die ihr vertraut waren, ließ jeder Schatten sie zusammenzucken, als ob Davids Geist nur darauf wartete, sie anzuspringen. Würde das jetzt immer so sein? Würde die Schuld sie in den Wahnsinn treiben? So etwas hatte man ja schon gehört – dass jemand sein Leben lang vom Geist eines Verstorbenen verfolgt wurde.
    Ein Blick auf den Monitor im Büro zeigte, dass ein großer Teil der Zufahrt von der Kamera nicht erfasst wurde. Man hatte reichlich Platz, um ungesehen in die Garage zu gelangen. Sie sammelte ein paar Schlüssel von den Haken in der Küche und ging mit Steve außen um das Haus herum.
    »Heilige Scheiße«, flüsterte er, als sie auf die Fernbedienung drückte und das Garagentor sich hob, um ein riesiges, glänzendes Auto freizugeben. »Das ist ja nur ein Bentley.«
    »Ist das gut?«
    Er sah sie an und lächelte trocken. »Komm.«
    Hinter einer Reihe Ölkanister fanden sie eine Rolle Plastikplane, ein paar alte Sandsäcke, Klebstreifen und ein Teppichmesser. Sie trugen alles zum Parkplatz und entrollten die Plastikfolie auf dem Boden neben der Leiche.
    »Nimm seine Füße.«
    »O Gott.« Sie hielt einen Schritt Abstand, starrte die Leiche an und klapperte mit den Zähnen. »Ich weiß nicht, ob ich das kann.«
    »Sally«, sagte Steve mit fester Stimme. »Du kannst das. Ich weiß, dass du es kannst. Ich hab dich vorgestern mit der Bügelsäge gesehen. Du kannst das.«
    »Dann tun wir es wirklich, ja? Wir werden nicht zur Polizei gehen und uns dafür das Geld auszahlen lassen?«
    Er zog eine Braue hoch. »Sag du es mir. Du hättest die Polizei rufen können, aber du hast es nicht getan.«
    Sie schloss die Augen und legte die Finger an die Schläfen. Er hatte natürlich recht. Sie hätte jederzeit die Polizei rufen können. Hatte sie längst – unbewusst – entschieden, dass sie es anders machen würden?
    »Aber …« Sie öffnete die Augen wieder. »Ist es auch richtig? Steve? Tun wir das Richtige?«
    »Wie definierst du ›richtig‹? Ist es legal? Nein. Ist es trotzdem am besten so? Du kriegst dreißig Riesen, weil du diesen alten Perversen umgelegt hast. Ist das am besten so? Sag’s mir.«
    Sally gab keine Antwort. Sie hatte den Blick auf Davids Gesicht gerichtet. Seine Augen hatten sich verändert. Sie hatten nicht mehr den Glanz, den normale Augen hatten. Sie waren trüber und flacher, dachte sie, und schienen in den Schädel zurückzusinken. Vor einer Weile hatte sie gesehen, wie eine Fliege versuchte, auf dem einen Auge zu

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