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Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Titel: Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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dem offenen Kofferraum in der Garage. Im elektrischen Licht sah sein Gesicht gelb und hohläugig aus. Sie legte die Handtücher hin, goss Whisky – nicht zu viel – in die beiden Gläser und reichte ihm das eine. Sie standen einander gegenüber, hoben die Gläser, als tränken sie auf etwas Gutes, und leerten sie in einem Zug. Bei dem Geschmack verzog Sally das Gesicht, und sie trank hastig von dem Wasser.
    »Wir müssen ihn hinausbringen. Ins Gras.«
    Sally ließ die Wasserflasche sinken. »Warum?«
    »Hilf mir einfach. Pack die Plastikplane.«
    Sie stellten die Flasche und die leeren Gläser auf das Fensterbrett und zogen sich die Gummihandschuhe an. Zusammen traten sie an den Kofferraum, und jeder packte ein Ende des Plastikkokons und zog. Davids Leiche rollte mit einer erhobenen Hand nach vorn, fast als wisse er, dass er gleich auf den Boden fallen würde. Steve fing sein Gewicht auf und verzog das Gesicht, als der Druck auf seine verletzte Hand schmerzhaft wurde. Zusammen ließen sie den Toten auf den Boden sinken. Man sah Davids Gesicht durch das Plastik; es sah aus, als spähe er durch ein Fenster.
    »Lieber Gott.« Steve wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. »Lieber Gott.«
    Sally starrte ihn an. Er durfte nicht aufgeben. Nicht jetzt, nicht nach dem, was sie schon getan hatten. Ein Zurück gab es nicht mehr.
    »Steve?«
    »Ja.« Wieder wischte er sich über die Stirn. Schüttelte sich einmal. »Okay«, sagte er und war plötzlich wieder ganz konzentriert bei der Sache. »Roll dein Ende zusammen.«
    »Gut. Ja. Natürlich.«
    Sie verknoteten die Plastikplane an den Enden und wuchteten die Leiche zusammen aus der Garage in die Einfahrt. Sie mussten seitwärts schlurfen; über zwei Steinstufen kämpften sie sich mit ihrer Last hinunter auf den Rasen.
    »Hier«, sagte Steve, und sie ließen ihr Bündel mitten auf der Grasfläche fallen.
    Er richtete sich auf und sah sich um. So weit das Auge reichte, war kein Licht zu sehen, nur die hellen Punkte der ersten Sterne am Himmel. Er betastete seine Taschen, holte sein Telefon heraus und schaltete es mit dem Daumen ein. Dann ging er damit um den Toten herum und fotografierte ihn. Er achtete darauf, dass er das Gesicht aus verschiedenen Perspektiven festhielt.
    »Was machst du denn da?«
    Er lächelte grimmig. »Ich hab keine Ahnung. Ich tue einfach so, als wäre ich in einem Film. Als wäre ich Robert de Niro. Oder Scorsese. Ich tue das, was ein Killer bei denen täte.«
    »Oh.« Sie rieb sich die Oberarme. »Mein Gott .«
    Er ging in die Hocke und betrachtete vorsichtig Davids rechte Hand.
    »Was ist das?«
    »Sein Siegelring. Mit vier Diamanten und einem Smaragd. Daran kann man ihn identifizieren.« Er machte mehrere Fotos von dem Ring, und dann zog er ihn ab und schob ihn in die Tasche. Er steckte das Handy ein und schlurfte in der Hocke seitwärts, hakte einen Zeigefinger hinter Davids Vorderzähne und drückte mit der anderen Hand vorsichtig den Unterkiefer herunter. Dann drehte er das Gesicht zur Seite. Der Tote gab einen langen, leisen Seufzer von sich.
    Sally wich zurück und prallte gegen das Auto. Davids Kopf sank seitlich auf den Boden, die Augen starr geöffnet.
    »Alles okay«, sagte Steve leise. »Wirklich – alles okay. Das ist nur Luft, die aus seiner Lunge kommt.«
    Sally sank zitternd in die Hocke. Steve fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und fuhr fort, das Innere von Davids Mund zu untersuchen. Er senkte das Kinn auf die Brust, spähte mit schmalen Augen in die Mundhöhle und grunzte befriedigt.
    »Das wird gehen.«
    Er stützte einen Ellenbogen ins Gras und legte sich der Länge nach neben Davids Leiche, wandte sich ihm zu, als habe er vor, ein langes, kompliziertes Gespräch mit ihm zu führen. Mit der freien Hand wühlte er sein Telefon wieder heraus und verbrachte fast fünf Minuten damit, das Gesicht und die Zähne zu fotografieren. Als er fertig war, stand er auf und sah Sally an.
    »Was denn?«, zischelte sie. »Was jetzt? Wie geht’s weiter?«
    »Ich sage doch, ich hab so was noch nicht gemacht.«
    Er ging zurück in die Garage und nahm noch ein paar Dinge aus dem Regal. Im trüben Licht sah sie, wie er Benzin aus einem Plastikkanister in ein Motorwerkzeug schüttete. Die Säge. Er kam damit heraus und blieb vor dem Toten stehen.
    »Nein«, flüsterte sie. »Nein, das können wir nicht tun.«
    »Wir haben keine andere Wahl. Jetzt nicht mehr.«
    Sie schloss die Augen und atmete tief durch. Irgendetwas versuchte, sich mit

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